Felder der Verwüstung oder vom Bock zum Gärtner gemacht: Das Giffey-Vonovia-Bündnis

Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir alle – jeden Tag – neue Entscheidungen über unser Leben fürchten müssen. Und wir leben in einer Stadt, die von skrupellosen Politiker*innen verscherbelt wurde. Die gleichen Parteien, die den Verkauf dieser Stadt im großen Stil betrieben haben, sitzen heute mit eben jenen Käufern von damals an einem Tisch, und entscheiden gemeinsam, wieviel Prozent unseres Einkommens wir für ein Grundbedürfnis ausgeben sollen. 

Am 20. Juni wurden die Beschlüsse des Berliner Wohnungsbaubündnisses vorgestellt. Denkbar wenig Konkretes beinhaltet der Pakt. Aber eines ist klar, eine echte Lösung für die Wohnungskrise findet sich darin nicht. Unsere Mieten werden weiter steigen, und mit ihnen unsere Wut und der Widerstand. Denn wir leben auch in einer Stadt, in der sich die Wut über den Raubbau am Gemeinwesen nicht besänftigen lässt. 

Steigen unsere Löhne mit?

Mieter*innen mit WBS-Anspruch können künftig gegen eine Erhöhung der Nettokaltmiete vorgehen, wenn diese damit mehr als 30% des Haushaltseinkommens beträgt und wenn sie selbst nachweisen, dass sie durch eine Mieterhöhung übermäßig stark belastet werden. Eine der zentralen Vereinbarungen ist außerdem die Ausweitung des Wohnungsangebots für Menschen mit Wohnungsberechtigungsschein (WBS) bei den Neubauten und Neuvermietungen. Die Stadtgestaltung wird damit im großen Stil in die Hände von Konzernen gelegt. Denn welche Wohnungen, in welchen Stadtteilen als WBS-Wohnungen ausgeschrieben werden, darüber sollen letztlich sie entscheiden. Und so können wir von hochpreisigen Angeboten im Stadtkern und WBS-Wohnungen am Stadtrand ausgehen, wie es teilweise schon bei den kommunalen Wohnungsunternehmen selbst die Praxis scheint. Das bedeutet nicht weniger als eine erneuerte, vom Senat legitimierte Verdrängungspolitik zu Profitzwecken. Die Aufteilung des Wohnmarkts zwischen WBS-Wohnungen und ansonsten unbegrenzt teuren Wohnungen ist Teil des Problems, und nicht seine Lösung. Der WBS stellt zudem eine große, für manche unüberwindbare bürokratische Hürde dar, die Mieter*innen zu Bitsteller*innen macht. Da die Mieten weiter steigen, bleiben bezahlbare Wohnungen für viele Menschen, die die Berechtigungsgrenze knapp übersteigen, zudem gänzlich außer Reichweite – sicheres würdiges Wohnen sieht anders aus!

Die stadtweit überteuerten Bestandsmieten, das eigentliche Problem, oder Neuvermietungen zu Mondpreisen tauchen in der Regelung erst gar nicht auf. Dass die Mieten ab dem kommenden Jahr nur noch um 11% in drei Jahren steigen dürfen (statt bisher 15%), ist scharf zu kritisieren. Hier reicht es wohl, die Frage zu stellen: werden auch unsere Löhne um 11% steigen?

Im Gegenzug zu diesen “Zugeständnissen” der großen Immobilienkonzerne reicht es aber nicht aus, dass “unsere” politischen Vertreter*innen sie gegen unsere Wut und den Volksentscheid verteidigen – nein, die Stadt soll auch noch weitere Leistungen erbringen. Zum Lieblingsthema der Bürgermeisterin, dem Bauen, gibt es also ein paar Beschlüsse: Schneller (wie auch immer und zu wessen Kosten auch immer), mehr und irgendwie „digital“, sollen Wohnungen für den privaten (spekulativen) Markt gebaut werden können. Kein Wort zum Wohnungserhalt, beispielsweise durch ein Abrissverbot oder stadtfreundliche Zweitwohnsitzregelungen, effektives Vorgehen gegen Ferienwohnungen oder Leerstand, und auch der Umweltschutz fehlt in dem Vereinbarungspapier vollständig. Um das Ganze zu krönen, sollen Immobilienspekulanten ab jetzt auch in einer festen Arbeitsgruppe zum Thema Milieuschutz mitdiskutieren. Aber wer ist es denn, der das Milieu bedroht?

Was wir brauchen: Enteignung, Mietenstopp, das Ende von Umwandlungen, von Eigenbedarf, von Abriss, Ferien- und Zweitwohnungen, von Leerstand und Luxusmodernisierungen.

Unsere Zukunft, die Zukunft der Menschen dieser Stadt, gehört weder in die Hände von Kapitalinteressent*innen noch in die Hände von Menschen oder Parteien, die demokratische Verfahren als ein Spiel verstehen. Keinerlei legitimierte Vertretung von Berliner Mieter*innen oder Wohnungslosen hat jemals für ein solches Bündnis gestimmt. Und keine Kooperation von Privaten mit der Stadt hat jemals nachhaltig bezahlbaren Wohnraum erzeugt. Wie beim westdeutschen Sozialbau oder bei den seit Jahren auslaufenden Sozialbindungen zahlt die Stadt, zahlen wir, zahlt jede*r einzelne* Bewohner*in drauf. 

Wofür wir allerdings gestimmt haben, das ist eine Enteignung der großen Preistreiber. 59,1 Prozent der Wahlberechtigten, die in dieser Stadt in ihrer großen Mehrheit Mieter*innen sind, haben längst entschieden, wie mit Konzernen verfahren werden soll, die unser städtisches Zusammenleben und unsere grundlegendsten Bedürfnisse bedrohen. Investor*innen sind keine Gesprächspartner*innen, wenn es um unsere Zukunft geht. Sie können sich gefasst machen auf unseren Widerstand.  

Wir werden nicht unser Leben damit verbringen, verwaltet zu werden, an bürokratische Hürden gekoppelte Sonderbedingungen zu beantragen oder unsere Einkommen gegenüber Konzernen nachzuweisen, die nichts weiter als unser Verschwinden im Sinn haben. Die uns mithilfe von Prozentregelungen in die ewigen Vororte verbannen wollen, die einen Anteil der Bevölkerung stigmatisieren und einen anderen schröpfen, während sie ein weiteres London oder Paris in der Innenstadt von Berlin planen.

Denn Berlin ist weder eine Marke, noch Casino oder Unternehmen. Berlin ist unser Leben. Und was wir brauchen, das ist nicht weniger als bezahlbarer Bestand und Schutz von Kiezen und Nachbar*innenschaften. Für eine kollektive, kooperative und solidarische Stadt: eine Enteignung großer Immobilienkonzerne, einen Mietenstopp, ein Ende von Umwandlungen und Eigenbedarf, von Abriss, Ferien- und Zweitwohnungen, von Leerstand und Luxusmodernisierungen. 

Nichts weniger, wir wiederholen: Nichts weniger als das! Wir lassen uns von ein paar weiteren Sonderregelungen, die Bewohner*innen zu Bitsteller*innen degradieren und Spekulant*innen mit der Gestaltung unserer Stadt betrauen, nicht kaufen oder besänftigen. Denn was wir dringend brauchen, und wofür wir uns weiter vernetzen, zusammenschließen und kämpfen, das ist unsere Befreiung vom Markt!