DWE 2022 – Von der Urne zurück in die Häuser?

Als 2017 erstmals öffentlich die Idee diskutiert wurde, Deutsche Wohnen und Co. mittels eines Volksentscheids zu enteignen, war das für die meisten Berliner*innen wie auch für Aktive unvorstellbar. Schon der Begriff “enteignen” schien zu abschreckend. Zwei Jahre später, als der Senat sich gezwungen sah, mit dem Mietendeckel die Mieter*innenbewegung zu beruhigen, hatte sich die Situation bereits verändert. Heute, wiederum zwei Jahre später, ist der Mietenwahnsinn stärker denn je und die Rechte der Mieter:innen wurden noch weiter eingeschränkt. Der Wahlerfolg des Volksbegehrens war deshalb umso mehr ein Hoffnungsschimmer für uns alle. Doch weniger das Ergebnis von 59,1 % stimmte uns positiv, als vielmehr die Energie, die wir hinter DWE gespürt haben. Es war großartig zu sehen, wie sich Nachbar*innen vernetzt haben, wie sich überall Kiezteams bildeten und Leute loszogen, um an den Türen von Spandau bis Köpenick zu klingeln. Diese Energie und Solidarität, die die vielen Nachbar*innen in die Kampagne gesteckt haben, müssen wir in der Mieter*innenbewegung erhalten.Gleichzeitig sehen wir den Wahlerfolg mit gemischten Gefühlen. Einerseits freut es uns zu sehen, wie stark die Bewegung mittlerweile ist, wenn solche Forderungen eine Mehrheit erhalten. Andererseits sehen wir eine Gefahr darin, falsche Hoffnungen zu erzeugen. Denn nicht erst die Koalitionsverhandlungen haben gezeigt: Die regierenden Parteien, allen voran die Giffey-SPD, werden das Volksbegehren nicht umsetzen. Ohne massiven Druck gehen wir nicht davon aus, dass sich daran etwas ändern wird. Vielmehr erwarten wir, dass die neue Berliner Regierung – und wir machen ihnen das zum Vorwurf – das Volksbegehren verschleppen will.

Wir wollen keinen symbolischen Sieg, wir wollen echte Vergesellschaftung. Denn langfristig wird es für Mieter*innen nur ein würdevolles Wohnen geben, wenn Wohnraum nicht mehr als Ware gehandelt wird. Dazu wollen wir als Gewerkschaft einen Beitrag leisten – und zwar über Organisierung. Schon direkt nach den Wahlen ist klar geworden: 1 Mio. Mieter*innen stehen hinter der Enteignung, eine organisierte starke Kraft sind wir jedoch noch nicht. Dass die Regierung das Volksbegehren überhaupt verschleppen kann, zeigt, dass der Druck, den wir erzeugen können, nicht groß genug ist. Andererseits fehlt uns der Glaube, dass es überhaupt eine echte Vergesellschaftung „von oben“ durch den Senat geben wird. Nach all den Jahren der Enttäuschung stecken wir unser Vertrauen lieber in uns selbst, in uns als Mieter*innen. Deshalb schlagen wir vor, den Weg zurück zu gehen – von den Parlamenten zu den Häusern, wo alles anfing.

Unser Ansatz ist die kollektive und stabile Organisierung von unten, die wir bei einigen Eigentümer*innen wie Blaczko oder Heimstaden bereits unterstützen konnten. Wir wollen helfen, Vernetzungen von Mieter*innen aufzubauen, die stark, solidarisch und stabil sind. Organisieren wir uns so, dass wir erst (Teil-)Mietstreiks und später eine Vergesellschaftung möglich machen! Diese Basis fehlt der Berliner Mieter*innenbewegung zur Zeit noch, aber sie wird unserer Meinung nach notwendig sein. Das Konzept der Mieter*innengewerkschaft sehen wir dabei als gutes Werkzeug, um eine stabile Struktur herzustellen.

Deshalb wollen wir in den nächsten Monaten auf weitere Vernetzungen von Mieter*innen einer Eigentümerstruktur zugehen. Schließt euch uns an, damit wir alle gemeinsam stärker werden. Solltet ihr euch denken – so etwas müssen wir bei unseren Eigentümer*innen auch aufbauen – kommt zur MGB! Solltet ihr noch nicht Teil einer Eigentümer*innenvernetzung sein und euch vernetzen wollen, kommt zu den Kieztreffen oder werdet einfach Mitglied und vernetzt euch. Solltet ihr keinerlei Kapazitäten für diesen Kampf haben, ihn aber unterstützen wollen, werdet Teil der MBG. Denn jetzt geht es darum, gemeinsam eine Gegenkraft aufzubauen. Diesen Weg zu gehen, ist die konsequente Schlussfolgerung aus den Erfahrungen der Kampagne – sowohl aus den positiven Erfahrungen (Organisierungspotenzial) wie auch den negativen (die parlamentarische Sackgasse). Auf diesem Weg werden wir (wahrscheinlich viele unterschiedliche, große und kleine) konkrete (Teil-)Lösungen zu der Frage “Wie schaffen wir es gemeinsam, unser Leben und unseren Wohnraum dem Markt zu entziehen” finden, auf die wir viel gespannter sein können, als auf die Ergebnisse der Prüfungskommission.