Der Kampf um niedrigere Mieten wird um bewährte Aktionsformen erweitert
Artikel aus der Jungen Welt vom 25.02.2020 von Carmela Negrete
Der Mietwucher ist in den größten Städten der Bundesrepublik allgegenwärtig. Im Widerstand gegen Immobilienhaie greifen Aktivisten auf alte Ideen wie die einer Mietergewerkschaft zurück. Paradebeispiel dafür ist die mehr als 100 Jahre alte schwedische Hyresgästföreningen, die beispielsweise kollektive Verhandlungen über die Mietpreise und -bedingungen führt. Zu ihren Kampfformen gehören Mieterstreiks und Besetzungen.
Vor kurzem haben in Frankfurt am Main sieben Personen den Verein Initiative für eine Mietergewerkschaft e. V. gegründet. Auf ihrer Internetseite schreiben sie, dass die Vermieter »bereits in ihren Eigentümerverbänden organisiert« sind und »die Isolierung der Mieter schamlos« ausnutzen. Dem wollen sie, wie in einer Gewerkschaft, die Solidarität entgegensetzen: »Mieter helfen Mietern«. Der Begriff sei jedem bekannt, und »wir wollen damit andeuten, dass wir mehr als ein Mieterschutzverein sind«, erklärte Daniel Schultz, Schatzmeister der Initiative, gegenüber jW am Freitag. »Wir würden gerne alle Mieter in der Gewerkschaft organisieren, nicht nur in Frankfurt, sondern am besten deutschlandweit«. In drei bis acht Jahren, schätzt der Verein, werden sie eine echte Gewerkschaft aufstellen können. Gespräche mit Gruppen, die ähnliche Initiativen in anderen Städten gründen wollen, laufen bereits.
Die Mietervereine böten oft nur Beistand bei rechtlichen Schritten, die jeder Mieter allein gehen müsse, erklärte Schultz und unterstrich die Notwendigkeit von Sammelklagen gegen große Vermieter. »Wir als Gewerkschaft könnten die Vermieter direkt anschreiben und mehrere Fälle zusammenführen.« Im Idealfall sollten die Menschen unserer Organisation und den Mieterschutzvereinen beitreten, so Schultz. Nötig sei eine kämpferische Haltung. »Wenn die Mietervereine aktiver werden, haben wir bereits einen Teil unseres Zieles erreicht.« Der im August 2019 gegründete Verein beruft derzeit Mieterversammlungen ein, auf denen alle gemeinsam überlegen, wie die konkreten Probleme und Missstände sofort durch kollektive Aktionen behoben werden können. International sind sie noch nicht vernetzt.
Dabei gilt Deutschland als Land, in dem die Gesetze die Mieter vergleichsweise gut schützen. Für das 2017 in Katalonien gegründete »Sindicat de Llogaters i Llogateres« (Mieter- und Mieterinnengewerkschaft) sind sie jedenfalls Vorbild. Die spanischen Gesetze schützen die Mieter kaum vor Mieterhöhungen, die in den letzten Jahren in den größten Städten bis zu 40 Prozent betrugen. Im Gespräch mit jW erklärte Silvia, eine der Sprecher des Syndikats, dass sie sich »von den deutschen Mietervereinen inspirieren lassen«. Sie seien im regen Kontakt miteinander. Das Konzept Mietergewerkschaft gebe es hier jedoch seit Jahrzehnten, so Silvia.
Für die spanische Organisation ist vor allem der Druck auf der Straße wichtig. Gegenwärtig hat sie laut eigenen Angaben rund 2.000 Mitglieder, drei Angestellte und einhundert aktive ehrenamtliche Mitarbeiter. Auch sie bieten eine Rechtsberatung an, beteiligen sich aber außerdem an Protesten gegen Zwangsräumungen. So arbeiten sie zum Beispiel mit der 2009 in Barcelona gegründeten Plattform der Hypothekenopfer (Plataforma de Afectados por la Hipoteca, PAH) zusammen, die im Zuge der geplatzten Immobilienblase viele Menschen mobilisierte, um Zwangsräumungen zu verhindern. »Wir haben unterschiedliche Hintergründe, die PAH ist während der Hypothekenkrise entstanden und wir jetzt wegen des Mietwuchers«, erklärte die Sprecherin des Syndicats. »Eine der Forderungen der Gewerkschaft, um die Mietsteigerungen zu stoppen, ist die Regulierung der Mietpreise«, fasst die Aktivistin die Erwartungen an die neue Regierung aus Sozialdemokraten und dem linken Wahlbündnis »Unidas Podemos« zusammen.