Nicht nur in Berlin sondern auch in anderen Städten versuchen sich Mieter*innen und Aktivist*innen am Aufbau von Mieter*innengewerkschaft. Wir wollen deren erste Schritte dokumentieren, wie sie funktionieren und was sie schon erreicht haben. Denn wir können viel von einander lernen.
Als erster Teil einer Serie präsentieren wir die Mietergewerkschaft Frankfurt.
Ganz dicht an der Basis
„Unser Organisierungsansatz ist einfach sehr pragmatisch“, sagt Daniel, Schatzmeister der Gewerkschaft. Ihr Ansatz: Praktisch anfangen und je nach Wachstum gucken, wie sich die Organisation daran anpasst. Dafür konzentriert sich die Gewerkschaft auf den lokalen Aufbau von Aktivengruppen. Speziell setzen sie an bei zwei Siedlungen, deren Häuser dem Wohnungskonzern Vonovia gehören. Deren Mieter*innen waren auf die Gewerkschaft zugekommen. Nun bauen sie in zwei Straßen mit 112 bzw. 350 Wohnungen Aktivengruppen auf. Diese treffen sich bei Bedarf zu Mieter*innenversammlungen und entscheiden eigenständig, was ihre Forderungen, Taktiken und Strategien sind. Der Kontakt zur Gewerkschaft sowie eine Art Leitungsfunktion sollen Ansprechpartner*innen sein. Das sind ein bis zwei Personen pro Straße, die irgendwann selbstständig im Kiez arbeiten. „Wir wollen organische Verantwortliche – dafür müssen wir die Leute aber erst befähigen. Das sind keine Aktivist*innen sondern ganz normale Mieter*innen.“ Durch die Unterstützung der Gewerkschaft sollen sie ein Gespür und eine Urteilsfähigkeit dafür bekommen, wann es eine Mieter*innenversammlung braucht, welche Themen gerade wichtig sind und wann man ins Volle geht. Denn der Mietenkampf verläuft wellenförmig: Wenn es akute Probleme gibt kommen die Mieter*innen, wenn der Kampf erfolgreich war oder der Erfolg auf sich warten lässt, schläft alles wieder etwas ein. Durch die kontinuierliche Organisation und Einbeziehung der Mieter*innen sollen diese ruhigen Perioden überstanden werden, um bei einem erneuten Ansteigen der Kämpfe in der Siedlung auf bereits etablierte Infrastruktur zurückgreifen zu können. Solche Verantwortliche und Aktivengruppen sollen in jeder Siedlung aufgebaut werden.
Die größere Struktur
Koordiniert werden diese Aktivengruppen durch den Vorstand und ein Arbeitstreffen. Mehr brauchen sie nicht für die aktuellen Kämpfe. Die Frankfurter Initiative arbeitet hier mit einer klassischen Vereinsstruktur eines e.V.: Mindestens einmal im Jahr entscheidet die Mitgliederversammlung über die grobe Richtung und wählt einen Vorstand für zwei Jahre, der jedoch jederzeit mit einer zwei Drittelmehrheit abberufen werden kann. Das aktuelle Tagesgeschäft wie z.B. die Öffentlichkeitsarbeit wird durch diesen geleitet. Aktuell hat die Gewerkschaft drei Vorstände, sollte die Struktur wachsen wird eventuell auch ihre Anzahl steigen. Klar ist aber auch, dass die jetzige Struktur nicht endgültig ist. Sie soll aus dem lokalen Rahmen wachsen. So sollen erst einmal Aktivengruppen entstehen, deren Vernetzung institutionalisiert werden soll, um eine stabile und lokal verankerte Gewerkschaft zu schaffen.
Ausgebremst durch die Pandemie
Aktuell hat die Initiative 30 Mitglieder, mind. 20 davon sind aktiv. Diese haben ein Mitspracherecht im Inneren der Gewerkschaft aber keinen Einfluss auf die Organisierung vor Ort. Zwischen ihnen soll besonders der Erfahrungsaustausch vorangetrieben werden. Einige bringen bereits Gewerkschaftserfahrung mit sich, doch was fehlt ist die Erfahrung mit Organizing auf der Straße: Auch deshalb setzen sie dort an, um selbst die Fähigkeiten zu erlernen. Ohne die Coronakrise wären es jedoch wohl schon doppelt so viele Mitglieder, die Pandemie hat das Organizing stark verkompliziert. „Das hat uns ein wenig zurückgeworfen, aber bald machen wir wieder einen Informationsstand für Mieter*innen in den Siedlungen“ zeigt sich Daniel optimistisch Was aber auch dadurch ein wenig fehle, sind klassische linke Aktivist*innen, die den Aufbau weiterer „Straßen“ – Aktivengruppen mit Verantwortlichen in Siedlungen – vorantreiben. Das sei auch nachvollziehbar: Oft ist die Arbeit mühsam und Erfolge brauchen. Um eine soziale Basis zu erlangen, sind sie jedoch notwendig.
In Zukunft will die Gewerkschaft vielleicht auch Rechtsberatung machen – auch wenn sie individuelle Beratung als Sackgasse ansehen. Wichtiger sind das lokale Wachstum und das Gewinnen neuer Mitglieder. Wir sind gespannt, wie es weiter geht.