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Hinweis: Die Inhalte dieser Broschüre stellen keine Rechtsberatung dar, es handelt sich lediglich um eine allgemeine Darstellung des rechtlichen Sachverhalts, bei der nicht auf individuelle Einzelfälle eingegangen wird. Stattdessen werden Beispiele, allgemeingültige Leitfäden und Vorlagen angeführt.
Vorwort
In Anbetracht des alltäglichen Mietenwahnsinns steht eine Frage für Mieter*innen immer wieder im Raum: Wie lässt sich dagegen vorgehen? Diese Broschüre versammelt eine Reihe von Anleitungen, die beschreiben, wie sich Rechte durchsetzen lassen. Der Fokus liegt hierbei auf Methoden, die am wirkungsvollsten sind, wenn sie nicht individuell, sondern gemeinsam anwendet werden. Der springende Punkt ist also das Gemeinsame: Je mehr mitmachen, desto wirkungsvoller wird es. Eine organisierte, gemeinsam handelnde Hausgemeinschaft zwingt den/die Vermieter*in, Bedürfnisse ernst zu nehmen. Eine häuserübergreifende Mieter*innenorganisation, die Methoden dieser Broschüre nutzt, kann zu einem wahren Alptraum für Vermieter*innen werden.
Die Mieter*innengewerkschaft Berlin (MGB) lädt dazu ein, diese Methoden in die Anwendung zu überführen und bietet ihre Unterstützung dabei an, einzelne Schritte zu planen und umzusetzen.
Schreibt uns gerne an, wenn ihr dabei Hilfe braucht und Teil der MGB werden wollt. Mit den Aktionen aus dieser Broschüre könnt ihr eure individuellen Rechte durchsetzen. Von einer Hausgemeinschaft oder einer noch größeren Gruppe angewendet, eröffnen die folgenden Methoden erste Schritte ins kollektiv bestimmte Wohnen.
Also, let’s get organized!!
Intention
In Mietkämpfen verwenden wir vielfältige Aktionsformen, um konkrete Ziele zu erreichen. Dabei eignen sich jeweils bestimmte Aktionsformen besonders für bestimmte Ziele: Eine Demonstration erzeugt öffentliche Aufmerksamkeit und macht unsere Solidarität füreinander sichtbar; ein Volksentscheid hat die Intention, den gesetzlichen Rahmen zu verändern; eine Briefkampagne setzt Amtsträger*innen unter psychischen Druck; eine Hausbesetzung versorgt Menschen ganz direkt mit Wohnungen. Diese Beispiele sollen zeigen, dass unsere Ziele eng mit den möglichen Aktionsformen verknüpft sind. Der Volksmund sagt, «Wenn man einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus.» und spricht damit eine erkenntnistheoretische Hürde aus: Die vorhandenen Aktionsformen bestimmen, welche Ziele uns erreichbar erscheinen.
Mit dieser Textsammlung wollen wir die ersten Schritte gehen, um ein neues Ziel greifbar zu machen: Den organisierten Kampf der Mieter*innen um Zugeständnisse der Vermieter*innen; um ein Neuverhandeln der Mietverhältnisse auf Augenhöhe.
Wir klammern in diesen Texten insbesondere Rückgriffe auf exekutive Macht aus, die regelmäßig in Muster von Bittstellerei und auf der anderen Seite Gönnerhaftigkeit verfallen. Stattdessen möchten wir Aktionsformen erkunden, die sich gesetzliche Regelungen zunutze machen, vor allem aber auf Basis einer breiten Organisierung der Mieter*innenschaft wirken. Die Veränderung der (Miet-)Verhältnisse soll also nicht durch Änderungen des Mietrechts erkämpft werden, sondern durch kollektive, aber privatrechtliche Verpflichtungen der Vermieter*innen gegenüber den Mieter*innen. Die konkreten Ziele ergeben sich natürlich aus den konkreten und dringendsten Problemen der Mieter*innen. Als Beispiele möchten wir nur ein paar typische Probleme nennen: eine zu hohe Miete, einen Mietvertrag, der Eigenbedarfskündigung zulässt, oder den zunehmenden Verfall des Hauses.
Solange das Mietrecht kaum kollektive Rechtsmittel vorsieht und sogar Mieter*innen, die gemeinsam ein Haus bewohnen, voneinander vereinzelt, erfordert unsere Herangehensweise Neugier und Beharrlichkeit. Die Aktionsformen entstehen jeweils, indem Mieter*innen ihre individuellen Rechte geschickt und koordiniert auf die kollektive Ebene heben. Zum Beispiel ist ein Recht auf Akteneinsicht beim/bei der Vermieter*in zwar gesetzlich vorgesehen, aber für die meisten Mieter*innen (einzeln) kaum relevant.
Die Mieter*innen von Kotti&Co haben dieses Mittel beispielsweise kreativ zu einem wirksamen Druckmittel gegen ihre Vermieterin erhoben, indem sie es massenhaft ausübten. Grundidee war es dabei, rechtliche Hebel zu nutzen, um in Verhandlung über Zugeständnisse zu kommen.
Diese und andere Aktionsformen beschreiben wir abschnittsweise und geben jeweils eine Zusammenfassung, den kollektiven Wirkmechanismus, und einen detaillierten Ablaufplan für jede Aktionsform an.
Die hier gesammelten Aktionsformen haben wir ausgewählt, weil sie ein sehr geringes Risikoprofil für die Mieter*innen aufweisen. Keine der Aktionsformen birgt eine direkte Gefahr für das Mietverhältnis (allerdings kann im Laufe eines Kampfes natürlich immer eine spezifische Rechtsberatung für die Mieter*innenschaft notwendig werden). Damit sind sie organisierungstheoretisch als Strukturtests geeignet, können also genutzt werden, um den Grad der Organisierung vor riskanteren Aktionen zu überprüfen und zu stärken. Sie können in einem langfristigen Mietenkampf eine mittlere Phase bilden, nach der Vernetzung und vor (höchstriskanten) einseitigen Mietminderungen.
Warum als Hausgemeinschaft organisieren?
In dieser Broschüre wollen wir Hausgemeinschaften ein paar grundlegende Mittel im Kampf gegen Vermieter* aufzeigen, die wirksamer sind, wenn sie zusammen durchgeführt werden.
Der erste Schritt hierbei ist immer, diese Hausgemeinschaft zu gründen! Aber warum ist es von Vorteil, sich als Hausgemeinschaft zu organisieren und was heißt das überhaupt?
Wir sind soziale Wesen und brauchen gerade in belastenden Situationen den Kontakt zu Anderen. Gemeinsam lässt sich Forderungen und Drohungen der Vermieter*innen viel leichter begegnen, denn eine gemeinsam agierende Hausgemeinschaft nimmt den einzelnen Mieter*innen viele Aufgaben ab und hat einen riesigen Vorteil für die Informationsbeschaffung. Nicht ohne Grund gilt: Eine organisierte Hausgemeinschaft senkt den Wert einer Immobilie. Außerdem erleichtert es den Alltag, wenn sich Menschen in einem Haus kennenlernen und anfangen, sich gegenseitig zu unterstützen. Das führt unter anderem dazu, dass kleine Konflikte im Haus, nicht durch den/die Vermieter*in oder die Polizei gelöst werden müssen.
Für den Mietkampf gilt: Hausgemeinschaften eröffnen die Möglichkeit, in der Gruppe zu handeln. So muss niemand Angst haben, alleine zur Zielscheibe des/der Vermieter*in zu werden. Ihr könnt gemeinsam die Öffentlichkeit informieren und bei gleichen Problemen müsst ihr nicht alle einzeln rechtlichen Rat suchen.
Wie lässt sich eine Hausgemeinschaft organisieren?
Wir haben bereits eine eine ausführliche Anleitung zur Bildung einer Hausgemeinschaft erstellt. Darin finden sich auch zahlreiche Informationen zum Thema sowie Tipps, wie ihr Menschen in eurem Haus ansprechen könnt, erste Versammlungen organisiert und eine dauerhaft bestehende Hausgemeinschaft aufbaut. In Berlin gibt es auch zahlreiche Angebote, die speziell von Hausgemeinschaften genutzt werden können. Lasst euch am Anfang am besten von unserer erfahrenen AG Organizing beraten. Die MGB kann bei der Bildung von Hausgemeinschaften helfen, beraten und direkt unterstützen. Die Zielsetzungen und Problemfelder sollten dabei immer von der Hausgemeinschaft selbst gesetzt werden.
Kontaktiert uns dazu unter: kontakt@mg-berlin.org
Die ersten Schritte
Als Erstes gilt es, mit den Nachbar*innen ins Gespräch zu kommen. Wenn du bisher nur einige Nachbar*innen kennst, ist jetzt also der Zeitpunkt, von Tür zu Tür zu gehen oder bei anderen Gelegenheiten, wie der Abholung von Paketen oder im Hausflur mit den Nachbar*innen zu sprechen. Das kann ein zwangloses Kennenlern-Gespräch sein, oder ein Austausch, der bereits ein konkretes gemeinsames oder vielleicht als individuell wahrgenommenes Problem mit der Vermietung thematisiert.
Gibt es kein direkt ersichtliches gemeinsames Problem, kann sich die Hausgemeinschaft zum Beispiel das Bedürfnis nach Erholung oder zwanglosem Austausch zum Anlass nehmen. Gelegenheit dafür bietet etwa ein gemeinsames Sommerfest im Hof oder die Begrünung desselben. Im direkten Austausch formieren sich leicht erste kleine Grüppchen, die eine Hausversammlung anstoßen können.
Häufig werden bei einem ersten Austausch in einer Gruppe von Nachbar*innen sehr schnell die konkreten Vorteile eines Zusammenschlusses sichtbar. Beispielweise lässt sich auf diese Weise erfahren, wie Anliegen der Einzelnen von Vermieter*innenseite gehandhabt werden oder welche Probleme es im Haus gibt. Häufig stellt sich heraus, dass Probleme, die bis dato als individuell verstanden wurden, ganz und gar nicht nur einen selbst betreffen.
Beim ersten hausgemeinschaftlichen Treffen empfiehlt es sich, eine gemeinsame Chatgruppe ins Leben zu rufen, damit ihr in Kontakt seid und direkt in der Gruppe kommunizieren könnt. Zumeist werden bei ersten Treffen zahlreiche Probleme sichtbar, die kollektiv angegangen werden können. Ob es anstehende Besichtigungen sind, zu hohe Betriebskosten, Mängel, Modernisierungsankündigungen oder weitere Themen, – den allermeisten Problemen lässt sich in einer solidarischen Gemeinschaft besser begegnen. Je nach Kampfgeist der betreffenden Hausgemeinschaft können mithilfe der im Folgenden versammelten Anleitungen Forderungen an die Vermietung begleitet werden, und Ansprüche durchgesetzt werden.
Ansprüche wegen Mängeln gemeinsam durchsetzen
Ziele
Wenn die Wohnung einen Mangel hat, muss der/die Vermieter*in diesen in der Regel beseitigen. Häufig ist es schwer, das alleine einzufordern. Mängel, die alle im Haus betreffen, können auch gemeinsam geltend gemacht werden. Das erhöht den Druck auf Vermieter*innen. Bei Mängeln, die nur einzelne betreffen, können die anderen Mieter*innen helfen – zum Beispiel indem sie Beweise liefern. Für Vermieter*innen kann das sehr teuer werden und ohne die Mängel lebt es sich angenehmer und gesünder.
Neben größeren Mängeln hat es auch Sinn, vermeintliche Kleinigkeiten konsequent zu bemängeln, um so als Hausgemeinschaft die Vermietung zu weiteren Zugeständnissen zu drängen.
Da jede Mängelrüge, das heißt die schriftliche Beanstandung eines Mangels, geprüft und beantwortet werden muss, muss der/die Vermieter*in jeweils Arbeitszeit seines/ihres Personals aufwenden. Und weil die Mieter*innen ihre Miete bis zur Klärung nur unter Vorbehalt zahlen, können Mieteinnahmen nicht mehr komplett in neue Geschäfte investiert werden, da Geld für Rückzahlungen zurückzulegen ist.
Mängel, die ein/e Vermieter*in trotz Rüge über lange Zeit nicht behebt, werden allgemein als skandalös wahrgenommen. Das heißt, eine frühe Rüge kann in späteren Auseinandersetzungen nützlich sein, um in PR-Kampagnen die Vermietung anzugreifen und in der Öffentlichkeit Sympathie für die Hausgemeinschaft zu gewinnen.
Beispiele
Es gibt unterschiedliche Mängel, die meist nicht nur eine einzelne Mietpartei betreffen: Bei Feuchtigkeitsschäden und Schimmel sind häufig mehrere Wohnungen betroffen und es ist sinnvoll an unterschiedlichen Stellen den Feuchtigkeitsgrad zu messen und Schimmelproben zu nehmen. Lärmbelästigungen von Baustellen etwa lassen sich häufig schwerer beweisen. Hier können die einzelnen Mietparteien mit einem Lärmmessgerät ein gemeinsames Protokoll führen, um die Belästigung zu unterschiedlichen Zeiten und aus unterschiedlichen Wohnungen nachzuweisen.
Wenn der/die Vermieter*in grundsätzlich Reparaturen verzögert und dadurch Mängel an der Wohnung entstehen und beispielsweise Fenster undicht werden, lohnt es sich eventuell gemeinsam Handwerker*innen zu beauftragen, um einen Kostenvoranschlag zur Hand zu haben.
Anleitung
Bestandsaufnahme
Im ersten Schritt sollten in einer gemeinsamen Bestandsaufnahme die jeweiligen Mängel in den betroffenen Wohnungen festgehalten werden. Die Hausgemeinschaft kann Protokolle anfertigen, Fotos machen und die Vorgeschichte notieren.
Anzeige – Fristsetzung – Rechte geltend machen
Mängel müssen den Vermieter*innen angezeigt werden.
Die Hausgemeinschaft sollte entscheiden, in welcher Form sie die Mängelrüge/n erheben will. Die Mängelrüge kann entweder in einem gemeinsamen Schreiben oder in vielen individuellen Schreiben gleichzeitig versandt werden. Mehrere Schreiben zur selben Zeit machen möglicherweise einen größeren Eindruck auf den/die Vermieter*in. Andererseits wollen sich möglicherweise einzelne Mieter*innen ungern durch ein eigenes Schreiben exponieren. Es muss also im Einzelfall entschieden werden. In jedem Fall wird der Organisationsgrad der Hausgemeinschaft für den/die Vermieter*in sichtbar.
Die Anzeige sollte schriftlich (zur Zustellung weiter unten) verfasst werden. Es sollte eine Frist von 2 Wochen zur Instandsetzung gesetzt werden und ein Hinweis erfolgen, dass die Miete bis zur Behebung des Mangels um einen bestimmten Anteil gemindert und in voller Höhe lediglich «unter Vorbehalt» gezahlt wird. (Siehe unten Vorbehaltszahlung) Anhaltspunkte für die Höhe der Minderung finden sich in Mietminderungstabellen. Bei der Minderung wird prozentual von der gesamten Miete einschließlich aller Nebenkosten (Bruttomiete) ausgegangen.
Es gilt aber: die Miete ist zwar gemindert, sie muss aber auf jeden Fall weiter in voller Höhe gezahlt werden. Sollte sich nämlich später herausstellen, dass die Minderung zumindest in der Höhe falsch war, droht wegen der nicht gezahlten Miete die Kündigung.
Vorbehaltszahlung
Die Erklärung des Vorbehalts führt dazu, dass gezahlte Beträge später zurückgefordert werden können. So kann sichergestellt werden, dass keine Zahlungsrückstände entstehen und später Teile der gezahlten Miete zurückgefordert werden können. Es empfiehlt sich der Vermietung mitzuteilen, warum unter Vorbehalt gezahlt wird – also etwa bei einer Minderung. Zum besseren Nachweis empfiehlt es sich auch im Verwendungszweck der Mietzahlungen den Zusatz «unter Vorbehalt» einzufügen. Bei der SEPA Lastschrift sollte mitgeteilt werden, dass der Einzug unter Vorbehalt erfolgt.
Die Rüge sollte am besten per Bote bzw. Botin eingeworfen werden, die Hausgemeinschaft kann der Vermietung auch gesammelt die Briefe vorbeibringen (zur Zustellung weiter unten). Andernfalls sollte der Brief per Einwurf-Einschreiben und zusätzlich per E-Mail verschickt werden.
Als Nächstes wartet ihr die Frist ab. Im besten Fall kommen Handwerker*innen vorbei. Es kann sinnvoll sein, dann Zeug*innen dabei zu haben, damit es nicht später heißt, der Mangel sei beispielsweise von den Mieter*innen selbst verursacht worden. Eine von der Vermietung beauftragte Instandsetzung ist in der Regel von den Mieter*innen hinzunehmen. Es sollte notiert werden, wie viel Zeit für Termine mit den Handwerker*innen von den Mieter*innen aufgebracht werden muss.
Wenn die Mängel nicht behoben werden, gibt es mehrere Möglichkeiten: Bei krassen Mängeln, die euer Leben belasten, sollte zügig eine Klage erhoben werden. Wenn die Zustände ein gesundes Wohnen unmöglich machen, kommt auch eine einstweilige Verfügung in Betracht. Es kann sich manchmal auch lohnen, die Wohnungsaufsicht einzuschalten.
Auch wenn ihr Teile der Miete zurückbekommen wollt, müsst ihr klagen. Bei kleineren Mängeln solltet ihr euch als Hausgemeinschaft entscheiden, ob eine Klage sinnvoll ist. In jedem Fall solltet ihr über die Mängel berichten, um die Unverantwortlichkeit eurer Vermietung öffentlich sichtbar zu machen.
Klage
An letzter Stelle steht häufig der Klageweg. Diesen kann die Hausgemeinschaft zwar nicht unmittelbar gemeinsam beschreiten, dass bedeutet aber nicht, dass hier die Zusammenarbeit endet. Zunächst sollten sich die Mieter*innen darüber austauschen, wer überhaupt klagt. Weil häufig nicht alle Mieter*innen in gleichem Maße rechtsschutzversichert sind, können hier die besser abgesicherten Mieter*innen zuerst klagen. Gegebenenfalls wird hierdurch ein gemeinsamer Mangel bereits behoben oder aber ein Präzedenzfall für die restliche Hausgemeinschaft geschaffen.
Wenn ihr euch einig seid, wer klagt, tauscht euch untereinander aus, auch um eure Anwält*innen zu unterstützen. Die Hausbewohner*innen können sich als Zeug*innen unterstützen.
Mietpreisbremse durchsetzen
Was ist die Mietpreisbremse?
Die Mietpreisbremse kann es ermöglichen, die Nettokaltmiete in einem bestehenden Mietvertrag zu verringern. Die Vermietenden dürfen bei einer Neuvermietung in Berlin nur 10 % mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen. Teilweise berufen sie sich auf Ausnahmen von dieser Regel. Hier kann die Hausgemeinschaft sowohl bei der Feststellung der zulässigen Miethöhe helfen, als auch dazu beitragen, dass die Miete tatsächlich sinkt. Auch kann bei dem Schreiben der Rüge und bei der Zustellung zusammengearbeitet werden.
Auf die Rüge muss der/die Vermieter*in reagieren und Informationen bereitstellen. Dieser Aufwand mindert Gewinne und bindet Personal. Für mögliche Rückzahlungen muss Geld zurückgelegt werden, so dass die Liquidität für neue Geschäfte reduziert ist. Zu den sofortigen Auswirkungen kommen die Erstattungen, wenn die Rüge erfolgreich ist. Der Druck steigt, je mehr Mieter*innen sich beteiligen.
Bei einer erfolgreichen Rüge erhalten die Mieter*innen zu viel gezahlte Miete zurück und zahlen auch in Zukunft weniger. Da sich spätere Mieten wiederum an der aktuellen Miete orientieren müssen, sind auch zukünftige Mieterhöhungen beschränkt.
Der Kaufpreis eines Mietshauses wird vor allem aufgrund der Nettokaltmiete berechnet. Wenn die Hausgemeinschaft erfolgreich Ihre Miete verringert, mindert das den Wert des Hauses. Das erleichtert der Hausgemeinschaft per Kauf oder Enteignung ihr Haus vom Privateigentum in die städtische oder genossenschaftliche Verwaltung zu übertragen.
Grundsätzliches
Die Mietpreisbremse gilt für alle Wohnungsarten außer für sogenannte Sozialwohnungen und Neubauwohnungen, die ab 1.10.2014 erstmals genutzt und vermietet wurden. Sie gilt für alle Mietverträge, die ab Inkrafttreten der jeweils regional einschlägigen Rechtsverordnung abgeschlossen wurden: In Berlin ist der maßgebliche Stichtag der 1.6.2015.
Auch möblierter Wohnraum unterfällt der Mietpreisbremse, die Vermieter*innen können jedoch einen Aufschlag auf die Miete erheben. Dieser muss richtig berechnet sein und Mieter*innen haben einen Anspruch auf die Darlegung dieser Berechnung.
Auch Staffelmieten – also eine mietvertragliche Erhöhung, etwa jedes Jahr – unterliegen der Mietpreisbremse, so dass jede Staffel ab 10% über der jeweils aktuellen ortsüblichen Miete gekappt wird. Notwendig ist aber, dass nach Wirksamwerden einer jeden Staffel erneut eine Rüge der Mieterin oder des Mieters wegen Verstoßes gegen die Mietpreisbremse erfolgt. Eine nicht gerügte vorangegangene Mietstaffel bleibt in ihrer Miethöhe erhalten.
Bei der Indexmiete wird nur die erste vereinbarte Miete der Mietpreisbremse unterzogen. Die Indexmiete ist eine mietvertragliche Vereinbarung, nach der eine Erhöhung durch das Ansteigen der Verbrauchspreise nach dem Verbraucherpreisindex ausgelöst wird.
Bei diesen Sonderformen der Miete empfiehlt es sich eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.
Anleitung zur Durchsetzung
Feststellen der zulässigen Nettokaltmiete – so wird die Mietpreisbremse geprüft:
Die Nettokaltmiete – teilweise auch Grundmiete genannt – ist die Miete ohne den Anteil der Betriebskosten. Zulässig nach der Mietpreisbremse ist eine Miete 10 % über der sogenannten ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese Vergleichsmiete kann anhand eines Mietspiegels berechnet werden.
Mietverhältnisse, die vor dem 1.9.2014 begründet worden sind, unterfallen nicht der Mietpreisbremse. Ein einfaches Tool zur Feststellung der Vergleichsmiete ist der Online-Fragebogen der Senatsverwaltung. Vorsicht: Darin findet sich nur die Miete nach dem Mietspiegel 2021. Wenn der Mietvertrag älter ist, muss anhand des auch im Internet auffindbaren älteren Mietspiegels im dort jeweils geltenden Mietspiegelfeld selber gerechnet werden, evtl. galt damals eine andere Wohnlage (→ Straßenverzeichnis checken!).
Eine andere Möglichkeit ist das Ausfüllen des Ausfüllbogens den Berliner Mietervereins.
Dafür muss im Straßenregister zum Mietspiegel geschaut werden, welche Wohnlage vorliegt und ob die Adresse mit einem (*) gekennzeichnet ist. In diesem Fall handelt es sich um eine besonders lärmbelastete Adresse (Merkmalgruppe 5).
Das Ergebnis ist die ortsübliche Vergleichsmiete. Diese ist zum Beispiel auch wichtig bei Mieterhöhungen nach der Vergleichsmiete (§558) BGB.
→ Das Ergebnis + 10 % entspricht der zulässigen Miete. Liegt die im Mietvertrag vereinbarte Miete darüber, kommt eine Mietpreisbremse in Betracht.
Ausfüllhinweise zu Fragebögen / Onlinetools
Für den Online-Abfragebogen der Berliner Senatsverwaltung gilt Folgendes:
Erste Seite:
Adresse mit Hausnummer eingeben.
Zweite Seite:
Wann ist das Haus gebaut worden? Ist das Baualter des Hauses unbekannt? Dann hilft es vielleicht, die Nachbar*innen zu fragen. (In den Infoschreiben zum Mietendeckel, sollte das Baualter aufgeführt sein. Manchmal sind diese Angaben in Mietverträgen oder anderen Schreiben der Vermietung aufgeführt. Im Notfall muss Einblick in die Bauakten genommen werden. Das geht per Anfrage beim Bauaktenarchiv des Bezirksamts. Zudem bleibt die Möglichkeit, den/die Vermieter*in anzuschreiben, mit Bitte um Auskunft. Dann wird jedoch klar, dass die Miethöhe von den Mieter*innen möglicherweise geprüft wird. Diese Angaben sind allerdings auch für Wohngeldanträge etc. notwendig.)
Handelt es sich um eine Dachgeschosswohnung? Dann kommt es auf die Bezugsfertigkeit der speziellen Wohnung an.
Die Größe der Wohnung steht häufig im Mietvertrag. Hier bitte die genaue Größe eintragen. Ist keine Größe genannt, muss die Größe erst ermittelt werden. Auch bei Quadratmeterzahlen kann eine Überprüfung der angegebenen Größe ratsam sein.
Dritte Seite:
Hat die Wohnung ein Innen-WC bzw. Bad und Sammelheizung? Achtung: Gasetagenheizungen sind Sammelheizungen (sowie auch Zentralheizungen und Fernwärmeheizungen). Das Zutreffende bei den blauen Ziffern anklicken.
Vierte Seite:
Hier geht es um die genaue Wohnungsausstattung. Es gibt mehrere Merkmale, die für alle Wohnungen des Hauses gleich sind. Hier kann die Hausgemeinschaft gut helfen. Kollektiv kann besonders bei folgenden Punkten Vorarbeit geleistet werden:
Merkmalgruppen 4. Gebäude und 5. Wohnumfeld lassen gleichen sich zumeist, bis auf den Keller, wenn möglicherweise nicht alle Mietparteien einen haben. Auch eine moderne Heizanlage kann von Wohnung zu Wohnung unterschiedlich sein.
Hier können kollektiv Informationen zusammengetragen werden. Es kann bereits ein Fotodokumentation des Zustands des Hauses (Treppenhaus, feuchter Keller, schlechte Fassadendämmung, übervolle Fahrradständer, schlechter Zustand des Hofs etc.) erstellt werden. Gemeinsam lässt sich auch der Energieausweis ausfindig machen oder der energetische Zustand mit einer Betriebskostenabrechnung und dem Onlinetool des Mietervereins ausrechnen. Der energetische Zustand ist bei allen Wohnungen des Hauses identisch.
Probleme beim Ausfüllen?
Einige der wohnungsbezogenen Merkmale sind schwer einzuschätzen. Im Zweifel einfach lässt sich nach Schätzung ankreuzen. Wenn etwas mehr als tatsächlich angegeben wird, ist das nicht schlimm, es sollte aber nicht völlig unrealistisch sein und die genaue Miethöhe wird beim Streit darüber erst ein Gericht feststellen. Sie kann dann höher ausfallen als die Miete, die in der Rüge angegeben ist.
Beim Berliner Mieterverein gibt es einige nützliche Einschätzungen. Auch nützlich ist die Urteilssammlung zum Mietspiegel 2021 inklusive Vorwort, herausgegeben von der Senatsverwaltung (berlin.de).
Wenn die Miethöhe + 10 % die zulässige Miete übersteigt, sollte
eine Rüge geschrieben werden. Warum?
Der/die Vermieter*in muss darüber informiert werden, dass der Mietpreis gerügt wird. Das hat zunächst die Konsequenz, dass der zu hohe Mietzins damit auf die Tagesordnung gesetzt wird. Bei Mietverhältnissen, welche vor dem 31.3.2020 geschlossen worden sind, beginnt mit der Rüge (ab Folgemonat) auch erst die Möglichkeit, die Mieten seit der Rüge zurückzufordern. Für die Rückforderung nach der Mietpreisbremse ist keine «Vorbehaltszahlung» notwendig.
Wenn die Rüge verfasst ist, sollte diese beweisbar zugestellt werden. Siehe hierzu auch die Tipps zur Zustellung weiter unten.
Besonderheit Bruttomiete:
Es kann vorkommen, dass Nebenkosten sowie Heizkosten im Mietvertrag nicht gesondert bestimmt werden, sondern quasi als Pauschale in der Gesamtmiete enthalten sind. Das wird Bruttomiete genannt. In diesem Fall muss von der vertraglichen Miete ein sogenannter fiktiver Betriebskostenanteil abgezogen werden, um den Nettokaltmietanteil zu bestimmen. Dieser lässt sich mit dem Berliner Betriebskostenspiegel berechnen. Zu verwenden ist der untere Wert der Durchschnittskosten (d.h. für Nebenkosten und Heizung werden jeweils die unteren Durchschnittswerte mit der Größe (qm) der Wohnung multipliziert).
Ausnahmen bei der Mietpreisbremse
Neubau: Wenn das Gebäude nach dem 1.10.2014 bezugsfertig geworden ist, findet die Mietpreisbremse keine Anwendung.
Hohe Vormiete:
Vermietende behaupten oft, die Mietpartei vorher hätte genauso viel bezahlt. Das ist möglich, wenn die Miete jedoch zuvor schon zu hoch war, ist das keine gültige Vormiete. Berufen sich die Vermietenden auf die Vormiete, sollte diese genauer geprüft werden. Problematisch ist es, wenn die sehr hohe Vormiete aus einer Zeit vor dem 1.6.2015 (Beginn der Wirksamkeit der Mietpreisbremse für Berlin) stammt, dann ist es häufig eine gültige Vormiete. Aber das kommt eher selten vor. Jedenfalls sollte im Haus gefragt werden, wer vorher in der Wohnung gewohnt hat: Vielleicht lässt sich herausfinden, wie hoch die Miete war; vielleicht kann auch die vorherige Mietpartei den geringeren Mietzins bezeugen. Wenn die Namen bekannt sind, kann über das Einwohnermeldeamt eine Anfrage zur aktuellen Anschrift der Vormieter*innen erfolgen. (Die Vermieter*innenseite ist zwar grundsätzlich beweispflichtig, das birgt jedoch ein Prozessrisiko.)
Umfassende Renovierung: Die Mietpreisbremse greift nicht, wenn eine Wohnung vor der Neuvermietung umfassend modernisiert worden ist. Das gilt aber nur, wenn der Aufwand (mindestens) ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen finanziellen Aufwands – ohne Grundstücksanteil – erreicht (ca. 500,00 €/qm). Das muss der/die Vermieter*in erst beweisen, was meist nicht gelingt. Außerdem muss die Wohnung durch die erfolgten Maßnahmen Neubaustandard haben. Das ist im sanierten Altbau selten der Fall.
Hier kann die Hausgemeinschaft den Unterschied machen. Es kann herausgefunden werden: Was ist nach dem Auszug der Vormieter*innen passiert. Wie sah die Wohnung vorher aus? Was war lediglich Instandhaltung (die Kosten bleiben außen vor) und was war wirklich Modernisierung (z.B. Kohleheizung durch Gasetagenheizung ersetzt)? Über Kontakte der Nachbar*innen zu den ehemaligen Mieter*innen können diese Fragen beantwortet werden und ggf. Angaben der Vermieter*innen geprüft werden.
Wenn es sich nicht um eine umfassende Modernisierung handelt: Wenn es sich nicht um eine umfassende Modernisierung handelt: Einzelne Modernisierungsmaßnahmen können zu einer Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete führen. Die Kosten der Modernisierung lassen sich anhand des Zustandes der Wohnung vor der Modernisierung ermitteln, um festzustellen, inwieweit ein Aufschlag für die Modernisierung zulässig ist. Hier sollte bei Fragen die Beratung aufgesucht werden.
Im Zweifel gilt: Wenn der/die Vermieter*in sich auf Ausnahmen beruft, wenn es Probleme bei der Berechnung der zulässigen Miethöhe gibt oder nicht klar ist, ob die Mietpreisbremse überhaupt anwendbar ist, ist eine Beratung durch Rechtsanwält*innen oder Mieter*innenorganisationen sinnvoll. Fehlen finanzielle Mittel, kann beim Amtsgericht ein Beratungshilfeschein beantragt werden. Dann kostet eine Erstberatung bei Rechtsanwält*innen nur 15€.
Darüber hinaus gibt es offene kostenlose Beratungen etwa über die Bezirksämter im Kiez und solche, die sich auf kollektive Fragen spezialisieren. Eine fortlaufend vervollständigte Liste mit einer Auswahl an offenen Beratungen findet sich auf dieser Seite unter Beratungen.
Durchsetzung nach der Rüge
Wenn der/die Vermieter*in nicht auf die Rüge eingeht oder eine Ausnahme anwenden will, bleibt nur ein Gerichtsverfahren. Das sollte aber nicht ohne Anwält*innen gemacht werden.
Seit 1.4.2020 gilt eine veränderte Rechtslage: eine Rüge kann nun auch für die zurückliegenden 30 Monate erhoben werden. Vermieter*innen sind in der Pflicht, spätestens bei Mietvertragsabschluss über das Vorliegen von Ausnahmen (Vormiete, Modernisierung) zu informieren. Tun sie das nicht, dürfen sie sich zwei Jahre nach dem Nachholen dieser Information nicht mehr auf diese Ausnahmen berufen. Das gilt nicht für bereits wieder beendete Mietverträge.
Rechtsschutzversicherungen
Mitglieder von Mieter*innenorganisationen sollten sich in den Beratungsstellen mit dem Mietvertrag, einer Betriebskostenabrechnung und dem ausgefüllten Fragebogen beraten lassen, wie ihr Rechtsschutz genau aussieht. Bei den gängigen Mieter*innenorganisationen beginnt der Rechtsschutz erst mit mehrmonatiger Mitgliedschaft. Beim Eintritt in den Berliner Mieterverein empfiehlt es sich daher zum Beispiel, drei Monate zu warten, bis die Rüge abgeschickt wird.
Auch Rechtsschutzversicherungen können die Prozesskostenrisiken der Mietpreisbremse übernehmen. Die Versicherungen machen das jedoch zumeist nur dann, wenn der Versicherungsschutz zum Zeitpunkt der Unterschrift unter den Mietvertrag schon bestanden hat.
Zustellung der Rüge
Hier wie oben gilt: Wichtige Schreiben werden am besten per Bote oder Botin zugestellt, damit später jemand die Zustellung bezeugen kann. Es muss eine Person sein, die nicht im Mietvertrag steht und es ist gut, wenn sie weiß, was in dem Schreiben steht. Sie kann das Schreiben bei der Vermietung persönlich einwerfen. Möglich ist auch, dass die Vermietung auf einer Kopie bei persönlicher Abgabe den Erhalt bestätigt.
Das Einwerfen kann auch als Flashmob erfolgen, dann sind die Mieter*innen füreinander die Zeug*innen. Wenn sich die Vermietung nicht in der selben Stadt befindet, sollte zumindest ein Einwurfeinschreiben genutzt werden und zusätzlich am besten noch eine E-Mail.
Musterrügen für Rügen mit Nettokaltmiete und Bruttomiete
Kollektive Akteneinsicht zu Betriebskosten
Jedes Jahr erhalten Mieter*innen eine Betriebskostenabrechnung, mit der die bezahlte Warmmiete aus dem Vorjahr mit den tatsächlichen Kosten für Wasser, Heizung, und weiteres abgeglichen wird. Haben sie zu viel bezahlt, erhalten die Mieter*innen Geld zurück; haben sie zu wenig bezahlt, fordert der/die Vermieter*in eine Nachzahlung. Üblicherweise schlüsselt die Betriebskostenabrechnung alle Kosten auf; allerdings haben die Mieter*innen das Recht, auch die Verträge und Belege zu diesen Kosten zu sehen, das heißt ein Recht auf Akteneinsicht beim/bei der Vermieter*in.
Nachdem die Mieter*innen Akteneinsicht verlangen, werden sie zur Hausverwaltung eingeladen, um vor Ort die Akten zu lesen. Dafür muss die Hausverwaltung einen Termin einplanen, sie muss die Akten zusammenstellen, und sie muss während der Einsicht Mitarbeiter*innen abstellen, die die Mieter*innen beaufsichtigen. Das alles kostet die Hausverwaltung Zeit, die sie dem/der Vermieter*in in Rechnung stellt. Die Akteneinsicht kostet desto mehr Geld, je mehr Mieter*innen sich beteiligen. Wenn die Mieter*innen außerdem Betriebskosten nachzahlen sollen und Akteneinsicht verlangen, können sie die Nachzahlung zurückhalten bis zum Termin der Akteneinsicht. Dem/der Vermieter*in fehlt damit zwischenzeitlich Liquidität für weitere Geschäfte.
Entdecken Mieter*innen bei der Akteneinsicht unlautere Geschäftspraktiken, wie zum Beispiel überteuerte Rechnungen von Tochterfirmen oder ähnliche Missstände, dann kann die Hausgemeinschaft mit diesen Erkenntnissen öffentlich (Presse, Social Media, etc.) gegen den/die Vermieter*in auftreten. Aus diesen Gründen ist die Akteneinsicht neben einer Prüfung von Kosten und deren Richtigstellung auch ein wirkungsvolles Druckmittel, um von der Hausgemeinschaft formulierte Forderungen durchzusetzen.
War der Widerspruch der Hausgemeinschaft begründet, müssen die Betriebskosten abgesenkt werden und die Betriebskostenabrechnung muss korrigiert werden. Dabei kann die Nachzahlung vermindert werden, oder ggf. eine Gutschrift entstehen.
Akteneinsicht: Schritt für Schritt
In der Regel bekommen alle Mieter*innen eines Hauses die Betriebskostenabrechnung (BKA) am selben Tag zugestellt. Als erstes solltet ihr euch das Zustellungsdatum notieren, denn meistens muss die Betriebskostenabrechnung für das Vorjahr bis zum 31.12. bei euch ankommen. In der Regel müsst ihr dann innerhalb von vier Wochen das Recht auf Belegeinsicht einfordern. Um zu besprechen, welche Belege in Augenschein genommen werden sollen, ist es sinnvoll, eine Versammlung mit allen Mieter*innen durchzuführen. Die Posten, die teurer geworden sind, solltet ihr mit der Akteneinsicht überprüfen.
Musterschreiben Betriebskosteneinsicht (PDF Download)
Mit diesem Musterschreiben sollten dann so viele von euch wie möglich Belegeinsicht fordern. Danach dürft ihr die Nachzahlung vorerst zurückhalten.
Für das Musterschreiben verwendet ihr am besten einen gemeinsamen Briefkopf (Corporate Identity), um zu zeigen, dass ihr euch koordiniert.
Im 1. Jahr sollten möglichst alle Belege (Rechnungen, Ablesequittungen, Aufmaß und insbesondere Verträge) eingesehen und abfotografiert werden. So könnt ihr einen Hausordner anlegen und in den darauffolgenden Jahren Zeit und Arbeit sparen.
Wenn ihr keine Reaktion erhaltet, sendet ihr folgendes Erinnerungsschreiben: Erinnerungsschreiben Betriebskosteneinsicht (PDF Download)
Wenn die Vermietung einen Termin zur Belegeinsicht bestätigt hat, können die Nachbar*innen, die keine Zeit/keine Lust auf die Wahrnehmung haben, andere Nachbar*innen bevollmächtigen, für sie Belegeinsicht zu nehmen. Klar ist, der Frust beim/der Vermieter*in wächst, je mehr Mieter*innen einzeln Einsicht in die Belege nehmen.
Bei dem Termin können dann alle Belege abfotografiert werden. (Es gibt Urteile, dass Mieter*innen mit eigener Technik Kopien machen dürfen und auch Arbeitsverträge mit Hausmeister*innen o.ä. kopiert werden dürfen, zum Beispiel Amtsgericht München: AZ: 412 C 34593/08). Wenn der/die Vermieter*in keinen Termin anbietet, könnt ihr die Belegeinsicht durch eine Klage vor Gericht einfordern.
Auswerten und Überprüfen
Nach dem Kopieren der Unterlagen erfolgt die Auswertung. Hier sollten als erstes die Rechnungsbeträge mit dem angegebenen Werten in der BKA verglichen werden. Dabei ist auf folgendes zu achten:
Sind alle Betriebskostenpositionen auch wirklich im Mietvertrag vereinbart? (Insbesondere bei den sonstigen Betriebskosten: Dachrinnenreinigung, Wartung RWA-Anlage, …) Es dürfen nur Kosten umgelegt werden, deren Umlage im Mietvertrag auch vereinbart wurde. Es genügt allerdings ein Verweis auf die Betriebskostenverordnung (Vorgängerregelung: II. Berechnungsverordnung).
Bei bloßem Verweis sind allerdings die sonstigen Betriebskosten nicht enthalten und können so zurückgewiesen werden.
Bei besonders hohen Kosten oder einer Kostensteigerung gegenüber dem Vorjahr (besonders Dienstleistungsverträge) mit Durchschnittswerten (jeder Mietspiegel enthält eine Betriebskostenübersicht) solltet ihr vergleichen und ggf. Alternativgebote einholen (Wirtschaftlichkeitsgebot).
Der Berliner Mieterverein und die Berliner Mietergemeinschaft bieten Mitgliedern den Kontakt zu Menschen an, die gegen relativ geringes Entgelt die Belegeinsicht vornehmen und eine Auswertung erstellen.
Widerspruchsschreiben (Muster des Berliner Mietervereins)
→ entsprechend der Ergebnisse aus Punkt 5
• Welche Betriebskosten sind nicht vereinbart?
• Welche Kosten stimmen nicht mit den Rechnungsbeträgen überein?
• Wo sind Kosten, die nicht umgelegt werden können (z.B. Hausmeisterleistungen, die zur Instandhaltung oder Verwaltung gehören, Gartenpflegearbeiten, die nicht stattgefunden haben)?
• Gibt es Betriebskosten, die aufgrund von Bauarbeiten entstanden sind (z.B. Baustrom und Bauwasser, deren Verbrauch nicht gesondert erfasst und herausgerechnet wurde)?
• Wo sind Kostensteigerungen, die unerklärlich sind?
• Gibt es Dienstleistungen, die am Markt günstiger angeboten werden?
Wenn der/die Vermieter*in die Nachforderung nicht zurückzieht, braucht ihr unbedingt eine individuelle rechtliche Beratung. Denn nach der Belegeinsicht dürft ihr die Nachzahlung nicht weiter zurückhalten. Sonst könnte der/die Vermieter*in euch unter Umständen kündigen. Auch ein höheres Guthaben als in der Betriebskostenabrechnung des/der Vermieters*in könnt ihr nur durch eine Klage
erreichen.
Für besonders kämpferische Hausgemeinschaften
Potenzial: Bei Vergleichsangeboten für Versicherungen ggf. auch Einsicht in wirtschaftliche Daten (Mieteinnahmen) möglich, das ist bisher allerdings nicht erprobt.
Archivieren aller Akten
Konflikte zu Betriebskosten ziehen sich oft über mehrere Jahre hin. In der Zwischenzeit können Einzelne ausziehen oder neu einziehen. Ein gemeinsames Archiv erleichtert es, alles im Blick zu behalten und auch über längere Zeiten Missstände belegen zu können.
Weiteres Material zu Akteneinsicht gibt es beim Berliner Mietervein.
Diese Broschüre ist aus der Zusammenarbeit der AG Recht der MGB mit dem Arbeitskreis Mietrecht des RAV und dem Arbeitskreis kritischer Jurist*innen der HU Berlin entstanden. Veröffentlicht unter CC-BY 2.0 DE.