Die Ruhe vor dem Nebenkosten-Sturm

Während die Hitze sich in den Straßen unser Stadt staut, müssen wir schon mit bangem Blick in den Herbst und Winter sehen. Es droht eine Krise (nicht nur beim Wohnraum), wie wir sie lange nicht erlebt haben. In den letzten 10 Jahren waren es besonders die Kaltmieten, die mit Steigerungen über 100 % für Verdrängung und schlechte Wohnbedingungen gesorgt haben. Jetzt drohen auch noch die Nebenkosten zum Problem zu werden.

Schon im letzten Jahr waren die Strompreise stark gestiegen. Durch die Abschaffung der EEG-Umlage hatte es eine kleine Entlastung gegeben, die den Preisansteig jedoch nur leicht abbremste. Das Wiedererstarken der Produktion in Asien nach dem Höhepunkt der Pandemie und später die stockende Gasversorgung in Folge des Krieges in der Ukraine führt jetzt jedoch dazu, dass die Gaspreise immer weiter steigen. Lagen sie Anfang letzten Jahres noch durchschnittlich bei 5,6 bis 6,4 ct/kWh wurden sie schon zum Neujahr auf über 40 % erhöht. Heute (Stand 14.07.) liegen sie bei 25,7 ct – mehr als eine Vervierfachung der Preise! Auch beim Öl ist eine mittlere Steigerung festzustellen.

Gleichzeitig wird in Deutschland 3/5 des gesamten Wohnraums mit Gas- oder Öl beheizt. Für Mieter*innen bedeutet das Nachzahlungen bei den Nebenkosten, die für viele Haushalte schlicht nicht bezahlbar sein werden. Während die Vonovia-Leitung von 500-1.000 € Nachzahlung bei einer 65 m² Wohnung ausgeht, kalkuliert die Berliner Senatsverwaltung 2.000-3.000 € im Schnitt pro Wohnung, die nächstes Jahr nachgezahlt werden müssen. Doch auch schon jetzt droht eine starke Nachzahlung bei den Nebenkostenabrechnungen, die bei vielen Mieter*innen jetzt langsam eintrudeln.

Noch mehr besorgt nun die Möglichkeit, dass Mieter*innen im Winter das Gas zum Heizen abgedreht werden könnte. Schon jetzt richten einige Städte wie Ludwigshafen sogenannte Wärmehallen ein, in denen sich Menschen im Notfall aufwärmen können. Und Vonovia (mit einer halben Million Wohnungen größter Wohnungskonzern in Deutschland) kündigte an, nachts die Heiztemperatur drosseln zu wollen. Sollte es zur Senkung von Temperaturen oder dem kompletten Ausfall der Heizung kommen, kann das für viele Mieter*innnen zu gravierenden gesundheitlichen Gefahren führen.

Dabei zahlen wir als Mieter*innen für Dinge, auf die wir kaum Einfluss haben. Womit wir heizen, wie gut unsere Wohnungen gedämmt sind, was für Fenster wir haben oder wie dicht das Dach ist – bei all diesen Dingen haben wir als Mieter*innen aktuell keine Entscheidungsmacht oder nicht mal ein Mitspracherecht. Wie viel wir heizen müssen – um leben zu können – haben die Vermieter*innen in den letzten Jahren meist für uns entschieden. Und oft haben sie sich gegen Investitionen z.B. in Fassadendämmung oder Fenster entschieden und für den maximalen Profit. Die Konzequenzen, wie Verdrängung, Teuerung, kalte Wohnungen, Schimmelpilze und Energieverschwendung (in der Klimakrise), spüren und tragen wir – privat und gemeinschaftlich.

Über die letzten Jahrzehnte wurde fast durch keinen anderen Bereich so viel Profit angehäuft wie mit Wohnungen. Doch die stark gestiegenen Mietpreise sind in der Substanz der Häuser kaum sichtbar. Vielmehr treffen wir sowohl bei der Wohnraumversorgung als auch bei den Gaspreisen auf das gleiche Problem: Beides läuft über den Markt. Und so steigen die Preise für Mieter*innen, obwohl die Kosten für Vermieter*innen oder Gasproduzent*innen dies nicht tun. Es sind nicht teure Renovierungen in unseren Häusern oder gestiegene Kosten beim Unterhalt von Pipelines, die die Preise steigen lassen, sondern die Verteilung auf einem (angespannten) Markt. Wohnraum aber auch Energie dürfen keine Ware sein! Der Markt regelt gar nichts, also müssen wir ran.

Was also tun? Alleine sind wir relativ machtlos, die Lösung kann also nur eine kollektive sein. Wir haben ein paar Vorschläge gesammelt:

  • Mit Nachbar*innen reden und handeln. Generell gilt: Sprecht mit euren Nachbar*innen, schließt euch zusammen und geht gemeinsam vor. Die Vermieter*innen haben die Kohle und haben die hohen Kosten wegen mangelnden Modernisierungen mit zu verantworten. Warum nicht kollektiv von ihnen fordern, einen Großteil der Kosten zu übernehmen?
  • Prüfen. Was ihr bei Nebenkosten immer tun solltet: Alles genau prüfen. In manchen Fällen könnt ihr die Nachzahlungen zurückhalten, solange die Vermieter*in euch keinen Einblick in die Belege gibt. Auch hier hilft es sich als Nachbar*innen zusammen zu tun, um sich gemeinsam beraten zu lassen.
  • Pleite vermeiden. Prüft frühzeitig, ob ihr durch steigende Energiekosten einen neuen Anspruch auf Wohngeld oder soziale Leistungen haben könntet. Fordert aktuelle Belege für eure Nebenkosten vom Vermieter, um rechtzeitig VOR der Abrechnung schon Leistungen beantragen zu können. Braucht ihr Hilfe dabei? Sucht eine soziale Beratung auf z.B. von Basta oder der Stadt.
  • Selbsthilfe und Solidarität: Teilt euer Wissen und Erfahrungen. Malt und hängt Plakate und Flyer mit Tipps und Infos im Kiez, im Betrieb etc. auf und eröffnet oder verbreitet Telegramkanäle. 
  • Gemeinsam auf die Straße: Es braucht grundsätzliche politische Veränderung. Jetzt ist die Zeit für einen bundesweiten Mietendeckel, der die Mieten auch absenkt! Die Vermieter*innen haben in den letzten Jahrzehnten massiv Profit gemacht – also sollten sie in der Krise auch zahlen.
  • Verpflichten wir auch die Bosse. Schon jetzt kündigen einige Betriebe an, mehr Homeoffice machen zu wollen. In dem Fall sollten sie sich auch an den Heizkosten beteiligen.
  • Warmhalten. Sollte das Gas wirklich abgedreht werden und es kalt werden, brauchen wir kollektive Lösungen. Öffnen wir gemeinsam Räume, in denen sich Menschen aufwärmen können. Basteln wir Luftfilter, um warm UND gesund zu bleiben. 
  • Problem richtig darstellen, Individualisierung und Verzweiflung widerstehen. Machen wir Freund*innen, Kolleg*innen und Nachbar*innen auf Strukturen des Problems (Markt und Konkurrenz versus Grundbedarf und Gerechtigkeit) UND auf kollektive Handlungsmöglichkeiten aufmerksam. Widerstehen wir Narrativen, die uns „sparen und kaltduschen“ als einzige Lösung verkaufen wollen. Widerstehen wir Hoffnungslosigkeit und Knappheitsdiskursen! 
  • In Kontakt bleiben: Trettet unserer Telegramgruppe zu den explodierenden Nebenkosten bei.