Oft haben wir wenig zu tun mit unseren Nachbar*innen und finden das vielleicht auch ganz gut so. Auf der anderen Seite konfrontieren uns Eigentümer*innen und Hausverwaltungen mit zahlreichen Zumutungen, denen wir als Vereinzelte wenig entgegenzusetzen haben. Warum sich also nicht zusammentun und die naheliegendsten Bündnisse bilden, die dem etwas entgegensetzen könn(t)en?
Mit der Hausgemeinschaft lässt sich einiges auf die Beine stellen und gleichzeitig in kollektive Prozesse eintreten, die Mitbestimmung und Mieter*innenemanzipation versprechen. Gemeinsam lässt sich Forderungen und Drohungen der Vermieter*innen viel leichter begegnen, eine gemeinsam agierende Hausgemeinschaft nimmt den einzelnen Mieter*innen viele Aufgaben ab und hat einen riesigen Vorteil für die Informationsbeschaffung. Nicht ohne Grund gilt: Eine organisierte Hausgemeinschaft senkt den Wert einer Immobilie. Außerdem erleichtert es den Alltag, wenn sich Menschen in einem Haus kennenlernen und anfangen, sich gegenseitig zu unterstützen.
Der nachbarschaftliche Austausch in einem Haus ist ein Weg zu kollektiven Formen, mit gesellschaftlich individualisierten Problemen umzugehen. Welche Ziele das kollektive Vorgehen über den solidarischen Austausch hinaus verfolgt, sollte jede entstehende Hausgemeinschaft selbst verhandeln. Dafür stellt sich die Frage: Was sind die Themen und Anliegen der Nachbar*innen und welchem Anliegen lässt sich besonders gut gemeinsam begegnen? Daraus erwachsen Ausrichtung und Zielsetzungen. Im Folgenden haben wir einige typische Herausforderungen und empfehlenswerte Vorgehensweisen skizziert, die das Vorhaben erleichtern sollen. Wenn ihr andere Erfahrungen macht oder weitere Tipps habt, lasst es uns gerne wissen.
Die Mieter*innengewerkschaft Berlin bietet darüber hinaus Workshops und Beratung rund um das Thema Hausgemeinschaft an: kontakt@mg-berlin.org.
1. Kurz zusammengefasst: Vorteile einer Hausgemeinschaft
Was haben wir davon, wenn wir uns mit den Nachbar*innen verbinden?
- Es gibt tausend Themen, bei denen Menschen, die ähnlich betroffen sind, einander helfen können: Sei es die Verkaufsbesichtigung oder einer gemeinsamen Begutachtung bei einem Problem wie Schimmelbefall.
- Ein nachbarschaftliches Miteinander hat natürlich auch Vorteile im Alltag: Ob sich mal Salz borgen lässt oder ein Bohrer, ob mensch leichter jemand finden kann, der die Blumen gießen würde, oder ein gemeinschaftliches Tauschregal im Haus eingerichtet wird, ob Konflikte im Haus miteinander besprochen oder für die ältere Dame im 2. Stock eingekauft wird, an vielen Stellen können wir uns den Alltag gegenseitig erleichtern und gemeinsam (auch unsere) Ressourcen schonen.
- Konkreten Bedrohungen von Einzelnen oder Allen im Haus kann in einer Gemeinschft sehr viel wirkungsvoller begegnet werden. Häufig sind Mietprobleme an existentielle Sorgen geknüpft, die in der Gemeinschaft viel besser aufgefangen werden können.
- Alle Probleme, die Mieter*innen rund um ihr Wohnen haben, sind keine individuellen Probleme! Das wird durch den Austausch im Haus genauso deutlich, wie dieser Austausch eine Antwort darauf sein kann. Zumeist sind verschiedene Perspektiven auf ein Problem eine Bereicherung und tragen zur Lösung bei.
- Wir alle stehen in komplexen Wechselwirkungen mit unseren Mitmenschen und sind abhängig und verletzlich – kurzum soziale, lebendige Wesen, die die Gemeinschaft brauchen. Diesen Beziehungen werden Märkte und gelegentliche Wahlen als poltische Ausdrucksformen nicht gerecht. Eine Hausgemeinschaft kann ein Weg sein, der strukturellen Vereinzelung und Vereinsamung in kooperativer Form zu begegnen.
- Über das Haus hinaus können sich Häuser in Initiativen, im Kiez usw. austauschen und zusammenschließen und dadurch leichter, das heißt, auch ressourcenschonender in lokale Vernetzungen einbringen.
- Hausgemeinschaftsbildungen sind ein Schritt hin zu lokaler Selbstbestimmung. Es gibt viele Fragen, die unser Leben betreffen, die in lokaler Mitbestimmung gut verhandelt werden könn(t)en.
- Schließlich bedeutet lokale Mitbestimmung eine Demokratisierung von Lebensbedingungen. Viele Aspekte des Mietens werden privatrechtlich zwischen Mietenden und Vermietenden einzeln ausgehandelt und tragen dem sozialen Gemeinwesen keinerlei Rechnung. Hausgemeinschaftsbildung kann ein erster Schritt hin zu kollektiven Rechten sein.
2. Vorüberlegungen & erste Gespräche
Wie lässt sich ein Gespräch aufbauen?
Für einen gelingenden Austausch braucht es einen Gesprächsbeginn. Erst im Austausch können wir Nachbar*innen kennenlernen und eine kooperative Beziehung aufbauen.
Viele von uns sind aufgeregt, bevor sie das erste Mal an einer fremden Tür klingeln. Leichter fällt es mitunter Nachbar*innen im Hausflur anzusprechen oder wenn mensch sich sonst irgendwo trifft. Bei solcher Gelegenheit kann ein zwangloses Kennenlern-Gespräch begonnen werden, oder ein Austausch, der bereits ein konkretes gemeinsames oder vielleicht als individuell wahrgenommenes Problem mit der Vermietung thematisiert. Gibt es kein direkt ersichtliches gemeinsames Problem, kann sich die Hausgemeinschaft zum Beispiel das Bedürfnis nach Erholung oder zwanglosem Austausch zum Anlass nehmen. Gelegenheit dafür bietet etwa ein gemeinsames Sommerfest im Hof oder die Begrünung desselben. Im direkten Austausch formieren sich leicht erste kleine Grüppchen, die eine größere Hausversammlung anstoßen können.
Häufig werden bei einem ersten Austausch in einer Gruppe von Nachbar*innen sehr schnell die konkreten Vorteile eines Zusammenschlusses sichtbar. Beispielweise lässt sich auf diese Weise erfahren, wie (unterschiedlich) Anliegen der Einzelnen von Vermieter*innenseite gehandhabt werden oder welche Probleme es im Haus gibt. Meist stellt sich heraus, dass Probleme, die bis dato als individuell verstanden wurden, ganz und gar nicht nur einen selbst betreffen.
Grundsätzlich gilt: Viele Fragen und Themen rund um die eigene Wohnung teilen auch die Nachbar*innen! Die Ausgangslage für einen Austausch zu gemeinsamen Interessen und Themen ist also günstig.
Wie lassen sich Nachbar*innen ansprechen, wenn es keine spezifische Notlage gibt?
- Bei Paketabholung oder im Hausflur Hallo sagen und ein Thema ansprechen
- an einem Ort der Begegnung – auf dem Hof, in Gemeinschaftsräumen, bei Sitzmöglichkeiten, an den Mülltonnen oder bei den Fahrradständern – ins Gespräch kommen
- Einfache gemeinsame Interessen finden – Grünpflanzen im Hof pflegen, Fahrradabstellmöglichkeiten erweitern, Mülltonnenüberfüllung usw.
- Sommerfest, Herbstfest, Weihnachtsfest, Straßenfest etc. anregen
- Austausch zur Betriebskostenabrechnung – Kommt jedes Jahr. Haben Sie/du auch die Betriebskostenabrechnung bekommen? Haben sich die Kosten bei Ihnen/dir auch erhöht? Kommt Ihnen/dir die eine oder andere Position auch komisch vor? Ich hätte ein Interesse daran, dass wir das mal vergleichen usw.
- Bei konkreten Themen kann sich das Haus gemeinsam beraten lassen, informieren und etwas dagegen unternehmen
Wie lassen sich Nachbar*innen ansprechen, wenn es eine konkrete Notlage gibt?
Akuter Gesprächsanlass wie Modernisierungsankündigung, drohende Eigenbedarfskündigung, Mängel im Haus oder Ähnliches … Wie spricht mensch das am besten an?
- Es ist immer hilfreich, die andere Person zunächst zu fragen, ob sie Zeit hat, sich kurz über ein Thema im Haus auszutauschen und sich gegebenenfalls für einen späteren Moment zu verabreden, wenn dies nicht der Fall ist.
- Einen guten Einstieg bieten Fragen: Habt ihr/du auch … (Schimmel, eine Verkaufsbesichtigung, kein Warmwasser, Legionellen, undichte Fenster, eine zu hohe Nebenkostenabrechnung, usw.).
- Eigenes Problem oder auch Befürchtungen schildern: Bei mir gab es jetzt eine Verkaufsbesichtigung, ich mache mir Sorgen und würde mich gern mal mit Nachbar*innen dazu austauschen; Wollen wir uns zusammen informieren?
- Für die genauere Erörterung des Problems oder Themas kann eine erste Verabredung mit einzelnen Nachbar*innen helfen, häufig lassen sich komplexe Sachverhalte besser in Ruhe bei einem Kaffee oder auf einem kleinen Spaziergang erörtern.
- Auf Vorteile einer kollektiven Rechtsberatung aufmerksam machen, vor allem, wenn das Problem mehr Leute im Haus haben.
Wichtig zu wissen: Es gibt Angebote für Hausgemeinschaften
- In manchen Bezirken gibt es eine kostenfreie Rechtsberatung, siehe hier
- Beim Berliner Mieterverein gibt es eine Ermäßigung und auch kollektive Beratungen.
- Sinnvoll kann es auch sein, beispielsweise besonders renitente Mieter*innen / andere Hausgemeinschaften aus dem Bezirk zum Austauschgespräch zu laden → Die MGB bietet die Vermittlung und gemäß ihrer Kapazitäten regelmäßige Austauschtreffen an.
- In Berlin gibt es zahlreiche mietenpolitische Initiativen und lokale Kieztreffen – gut möglich, dass ihr eine Initiative zu eurem Thema findet, dort könnt ihr euch beraten lassen und in den Austausch gehen mit anderen, die dasselbe Problem haben, wie ihr → schreibt uns gerne an, vielleicht kennen wir eine Initiative zu eurem Thema oder können euch das lokale Kieztreffen nennen.
- Es gibt auf der Seite über gemeinsame Kämpfe weitere Informationen zu niedrigschwelligen kollektiven Kampfformen, die sich gut mit einer Hausgemeinschaft umsetzen lassen.
- Auch die MGB arbeitet an speziellen Angeboten für Hausgemeinschaften, schreibt uns, und wir können euch sagen, wie eine Mitgliedschaft für ein Haus aussehen kann und welche Vorteile das mit sich bringt.
3. Hindernisse und Herausforderungen bei den ersten Schritten
Was hindert uns eigentlich daran, Nachbar*innen anzusprechen?
Wie oben schon erwähnt, stehen wir in komplexen Wechselwirkungen mit unseren Mitmenschen und brauchen die Gemeinschaft. Unsere Existenz als Einzelne ist sozusagen eine „geniale“ Fiktion, und die strukturelle Isolierung unserer Leben die Konsequenz von patriarchalen, kapitalistischen Wirkmechanismen. Im Folgenden findet ihr einige typische Hindernisse, die häufig daraus hervorgehen. Letztlich ist jeder einzelne Versuch, das kollektive kooperative Handeln wiederzubeleben, von Bedeutung.
Anonymität
In der Großstadt zu leben, bringt Anonymität mit sich. Das empfinden viele als Vorteil und befürchten, dass sie diese durch hausgemeinschaftliche Annäherungen aufgeben. Manche Menschen denken sogar, dass sie, wenn eine Hausgemeinschaft erst einmal gebildet ist, nun ständig unterhalten müssen oder permanent jemand vorbeikommt. Die Verbindung mit den Nachbar*innen besteht jedoch auf einer Ebene, die weniger private, individuelle Aspekte betrifft. Hilfreich ist die Vorstellung, dass im Haus zusammen lediglich die gemeinsamen Anliegen thematisiert werden. Die Tatsache, dass jede bis dato mit diesen Themen allein war, setzt beim Austausch in der Hausgemeinschaft einen ganz natürlichen Fokus auf die geteilten, gemeinsamen Erfahrungen und Anliegen. Häufig ist sogar überraschend, wie viele gemeinsame Themen in so einem Haus zusammenkommen und oft rücken individuelle Fragen von ganz allein in den Hintergrund.
Vulnerabilität
Manche haben die Befürchtung, dass sie sich zu sehr öffnen oder vielleicht auch verletzbar oder angreifbar machen. Diese Befürchtung ist nachvollziehbar, da wir in einer Gesellschaft leben, in der kollektives Leben abgesehen vom Familienmodell wenig Wert beigemessen wird und im täglichen Leben eher der Schutz des Einzelnen, des Individuellen in wettbewerblichen Beziehungen betont wird.
Besonders belastend können Versagensängste sein. Wenn wir uns vornehmen, eine Hausgemeinschaft zu organisieren, dann knüpfen wir womöglich unser Selbstwertgefühl an den Erfolg oder das Scheitern des Unterfangens. Was, wenn keine*r oder nur wenige mit mir stehen? Wie sehr könnte mich das verletzen? Diese Ängste sind völlig verständlich und normal.
Hinter dieser Versagensangst steckt allerdings auch eine überhöhte Erwartung an uns selbst. Wir müssen uns klarmachen, dass schon jetzt eine Vielzahl oberflächlicher und tiefergehender Beziehungen im Haus existieren. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass genau wir, die die Hausgemeinschaft anstoßen, solche tiefer gehenden Beziehungen zu allen im Haus pflegen. Anstatt zu versuchen, die Hausgemeinschaft auf Basis der eigenen Beziehungen zu starten, ist es daher sinnvoll, das Beziehungsgeflecht im Haus zu verstehen und gezielt Nachbar*innen um den Einsatz ihrer engen, gepflegten Verbindungen zu bitten. Wenn wir unsere Aufgabe so auffassen, entledigen wir uns der überhöhten Erwartung und hoffentlich auch eines großen Teils der Versagensangst.
Sich zu öffnen, ist ein Risiko, das zumeist belohnt wird. Die Erkenntnis, dass mensch nicht allein ist mit der jeweiligen Situation und gemeinsame Wege zur Lösung zu finden, kann in der individualistischen Gesellschaft sogar ein heilsamer Prozess sein.
Zu schüchtern
Zurückhaltung kann eine Tugend sein. Die Bewertung anderer zu fürchten, ist jedoch ein in unserer Gesellschaft sehr verbreitetes Thema. In kollektiven Prozessen lässt sich im besten Fall erfahren, wie wertvoll all die unterschiedlichen Denkweisen und Wege jeder/jedes Einzelnen sind. Auch die anderen haben Unsicherheiten und Probleme. Und es gilt natürlich immer: Jede/jeder Einzelne ist Experte/in des eigenen Lebens!
Konflikte im Haus
Manchmal gibt es Menschen im Haus, die einen abschrecken, überhaupt in Kontakt zu treten. Für erste Treffen müssen nicht zwangsläufig alle eingeladen werden. Naheliegend ist es, erst einmal mit Nachbar*innen ins Gespräch zu kommen, mit denen mensch sich gerne grüßt, oder Ähnliches. In der Gruppe können dann vielleicht auch gemeinsame Ansatzpunkte gefunden werden, wie bestehenden Problemen begegnet werden kann. Häufig findet sich ein Nachbar oder eine Nachbarin, die eine ganz andere Herangehensweise an den betreffenden Konflikt hat und bei der Lösung oder dem Umgang helfen kann.
Befürchtungen können möglicherweise in einem vertrauten Kreis zur Sprache gebracht werden. Durch das „soziale Korrektiv“ kann die eigene Sichtweise tendenziell erweitert und Befürchtungen solidarisch begegnet werden. Wenn einzelne Nachbar*innen sich sexistisch, homophob, rassistisch oder sonst menschenfeindlich gegenüber anderen zeigen, kann das natürlich
auch ein Grund sein, sie nicht auf Treffen einzuladen. Solche Fragen im Austausch zu besprechen, kann auch entlastend für Betroffene sein.
Ach nee du, lass mal …
Es kann vorkommen, dass die Nachbar*innen, von denen mensch denkt, dass sie interessiert sind, dies gerade nicht sind. Wenn es in den ersten Gesprächen kein Interesse an einer Vernetzung gibt, sagt dies nichts darüber aus, wie groß das Interesse im Haus insgesamt ist. Wenn mensch Nachbar*innen anspricht und auf Personen mit Desinteresse stößt, sagt das nichts darüber aus, wie eine andere Nachbarin reagieren würde oder wie sinnvoll die Aktivierung ist. Manchmal sind die ersten zwei bis drei Personen nicht so interessiert und plötzlich trifft mensch auf die andere Nachbar*innen, die Feuer und Flamme sind, obwohl ihnen das überhaupt nicht anzusehen wäre.
Natürlich gibt es auch Menschen, die keinen Sinn in einer Vernetzung erkennen können, eine solche für „reinen Aktionismus“ halten, ausschließlich am gemeinsamen Hoffest interessiert sind, oder sich eher nicht einbringen möchten. Wenn so jemand im Haus gut vernetzt ist und vielleicht sogar eine Autorität unter den Mietenden darstellt, z.B. als langjährigste*r Mieter*in, dann müssen wir damit umgehen: Wir müssen die Vorbehalte dieser Person verstehen, ernst nehmen und respektvoll versuchen, sie zu entkräften. Denn oft gelingt es uns nicht, ohne die Unterstützung einer solchen Schlüsselperson, eine starke (also umfassende) Hausgemeinschaft zu bilden. Wenn wir sie dann aber gewinnen können und so Geschlossenheit im Haus bilden, stärkt es unsere Hausgemeinschaft in der Regel ungemein. Hier gilt es in jedem Fall Geduld zu bewahren!
Eine Vernetzung und Kommunikationsstrukturen zu entwickeln, bevor ein Problem akut wird, ist in jedem Fall von Vorteil!
Bei weiteren Fragen und Hindernissen meldet euch gern bei: kontakt@mg-berlin.org
4. Erste Treffen
Wie lassen sich erste kleinere Treffen anstoßen?
Ladet eure Nachbar*innen mal zum Kaffee zu einem spezifischen gemeinsamen Problem ein. Im direkten Austausch formieren sich leicht kleinere Grüppchen, die eine erste Hausversammlung anstoßen können.
- Wenn eine kleinere Gruppe sich gefunden hat und ein großes Hausgemeinschaftstreffen plant, ist es notwendig, möglichst viele (mietende!) Nachbar*innen zu erreichen, das funktioniert beispielsweise gut mit Flyern und noch besser womöglich mit Haustürgesprächen.
- Für eine solche, potenziell größere Versammlung müssen Räume gefunden werden. Wahrscheinlich ist der eigene Wohnraum nicht unbedingt der geeignetste Ort. Nicht jede fühlt sich in einem Café wohl. Je nach Wetterlage kann der Hof ein Ort werden. In Berlin gibt es inzwischen häufiger eine Mischung von Mietenden und Eigentümer*innen. Es ist sinnvoll, einen geschützten Raum nur für die Mieter*innen zu finden, in dem alle frei sprechen können.
- Es kann hilfreich sein, einen zeitlichen Rahmen für das Treffen anzusetzen, damit für alle klar ist, worauf sie sich einlassen. Zu empfehlen ist kein Zeitraum über 2 Stunden. In viel weniger als 2 Stunden lässt sich aber auch nicht viel besprechen. Da die meisten Menschen bis ca. 18 Uhr mit Lohnarbeit beschäftigt sein können, ist eine Uhrzeit danach oder ein Treffen am Wochenende ratsam.
Wenn ihr offene Räume bei euch im Bezirk sucht, meldet euch gern bei uns, vielleicht können wir euch weiterhelfen.
Wie kann eine erste Hausgemeinschaftsversammlung aussehen?
In den ersten Gesprächen sind sicherlich schon gemeinsame Themen aufgekommen, falls diese nicht schon der Gesprächseinstieg waren. Nun gilt es, die Themen auf der Versammlung zu sammeln und Vorgehensweisen zu besprechen.
Hilfreich dafür ist eine Moderation. Das erleichtert das Gespräch in der Gruppe. Von Vorteil dafür kann es sein, wenn mehrere Personen das gemeinsam übernehmen. Dabei geht es darum, die Gesprächsführung zu lenken und dafür zu sorgen, dass möglichst alle Anwesenden zu Wort kommen und die relevanten Themen besprochen werden. Für die Übernahme der Moderation sollten Ungeübte nicht zu hohe Ansprüche an sich selbst stellen. In diesem
Kontext lernen wir alle noch dazu.
Die Treffen zusammenfassend zu protokollieren, kann im weiteren Aufbau einer Hausgemeinschaft von großem Vorteil sein.
Demokratische, kollektve Verfahren lassen sich erlernen! Entscheidende Prinzipien sind: Gemeinsam zu denken und die unterschiedlichen Herangehensweisen wertzuschätzen. Häufig ist es hilfreich, die Ansprüche für den Verlauf des Gesprächs nicht zu hoch anzusetzen und den
Fokus auf die Augenhöhe zu legen: Jede/jeder Nachbar*in ist Experte/in für das eigene Leben!
Was sind die Ziele des ersten größeren Gruppentreffens?
- gemeinsame Themen finden / priorisieren
- Austausch über Probleme im Haus
- Anwesenheit erfassen, und ggf. besprechen, wo die Vernetzung im Haus noch gestärkt werden muss
- gemeinsames Vorgehen, Ziele von zukünftigem Austausch andenken
- überlegen, wie der Vernetzungsgrad im Haus objektiv getestet werden kann (z.B. durch eine interne Petition)
- kollektive rechtliche Beratung in Betracht ziehen
- einzelne Sichtweisen und Kapazitäten abfragen / berücksichtigen
Was solltet ihr regeln, bevor ihr auseinandergeht?
- Missstände und Forderungen möglichst knapp benennen (praktisch für z.B. eine erste interne Petition)
- Aufgaben verteilen (zum Beispiel Recherche zu Problemfeldern, weitere Nachbar*innen ansprechen, Brief aufsetzen, PM schreiben usw.)
- Termine für kollektive Rechtsberatung usw. planen (zur Terminfindung gibt es gute Onlinetools: zum Beispiel dieses)
- Kommunikation, wie bleibt ihr im Gespräch → Chatgruppe? (Signal oder auch Telegram eignen sich dafür relativ gut)
- Wer sendet das Protokoll / eine Zusammenfassung des Treffens in die Gruppe (dafür lassen sich Onlinepads, z.B. von RiseUp) nutzen, darin können gleichzeitig mehrere Menschen an Texten arbeiten, offline Sicherheitskopien von Texten sind aller Erfahrung nach ratsam)
- Nächste Treffen zu den herausgearbeiteten Themen andenken, wer kümmert sich darum?
TIPP 1
Für Treffen in größerer Runde ist es hilfreich, einen angenehmen und konstruktiven Einstieg zu finden. Sinnvoll kann eine Einstiegsrunde sein, in der alle ihre Erwartungen an das Treffen benennen oder sagen, wie es ihnen heute geht. Genauso lässt sich eine Abschlussrunde initiieren, in der jede Einzelne beispielsweise kurz formulieren kann, wie sie rausgeht, was sie mitnimmt. Wichtig dabei ist es, die Aussagen für sich stehenzulassen und nicht zu werten.
TIPP 2
Wir unterhalten uns in gesellschaftlichen Gruppenzusammenhängen häufig in Dialogform. Ein Denken in größeren Gruppen erfordert zunächst etwas Disziplin. Sprechimpulse und der Wunsch in Dialog zu treten, müssen zuweilen unterdrückt werden, damit ein Gespräch in der Gruppe gelingt.
TIPP 3
Bei häufigeren Treffen in größeren Runden kann eine Redner*innenliste helfen. Dafür melden sich diejenigen, die sprechen möchten, mit Handzeichen und kommen in einer bestimmten Reihenfolge zu Wort. Zum Beispiel kommen jene Beteiligte zuerst zu Wort, die noch nicht gesprochen haben. Das erleichtert Menschen, die wenig Übung darin haben, in der Gruppe zu sprechen, mitunter ihre Beteiligung. Insgesamt kann auch darum gebeten werden, sich ein wenig kürzer zu fassen in den einzelnen Beiträgen, damit ein ausgeglichenes Gespräch möglich wird.
TIPP 4
Nach den ersten Treffen ist es sehr hilfreich, einen Kommunikationskanal zu erstellen, über den sich im Anschluss leicht gefunden und ausgetauscht werden kann. Einzelne können auch auf analogem Weg informiert werden, wenn sie keine Apps usw. nutzen möchten.
TIPP 5
Aufkommende spezielle Themen oder Fragen, die nicht spontan geklärt werden können, sollten in kleinere Gruppen ausgelagert werden, um einen konstruktiven Austausch in der größeren Gruppe zu gewährleisten. Auch bei Übersetzungsbedarf lässt sich möglicherweise jemand finden, der sich zu einem späteren Zeitpunkt die Zeit zur Erläuterung nehmen kann.
5. Erste Aktionen und gemeinsames Vorgehen
Aus Erfahrung lässt sich sagen, dass eine möglichst an den gemeinsamen Problemen orientierte Herangehensweise zielführend ist. Je konkreter am Problem selbst, desto konsensfähiger ist ein Vorhaben im Haus. Häufig gibt es eine größere Mischung von politischen Einstellungen und Erfahrungen. Um sich bei akuten Problemen nicht in abstrakten Diskussionen zu verstricken, ist es manchmal sinnvoll, bei den ganz konkreten Missständen oder gemeinsam geteilten Wünschen zu beginnen.
Erleichtern kann es auch, in kleineren Gruppen bestimmte Vorgehensweisen zu beraten, die dann allen vorgestellt werden. Eine Aufteilung nach Fähigkeiten und Wünschen kann ebenso produktiv sein. Hier gilt wie immer in kollektiven Zusammenhängen: Die unterschiedlichen Fähigkeiten und Perspektiven lassen sich bei guter Kommunikation leichter als Bereicherung verstehen. (Augenhöhe, Augenhöhe, Augenhöhe!)
Nachbar*innen können sich gegenseitig bei Mängeln, Modernisierungsankündigungen, Kaufbesichtigungen, Mieterhöhungen oder den vielen anderen Anlässen, die auf Mieter*innen zukommen, unterstützen. Wenn die Hausgemeinschaft umfassend vernetzt und geschlossen ist, können Briefe an die Hausverwaltung gemeinsam verfasst und eingereicht werden, Belegeinsicht zu Nebenkosten in der Gruppe genommen oder das Haus gemeinsam geschmückt werden. Die Hausgemeinschaft kann sich auch zum Ziel setzen, sich in der Straße, im Kiez oder zu einem spezifischen Thema zu vernetzen, das eigene Haus genossenschaftlich zu übernehmen oder gegenüber einer Eigentümer*innenversammlung als eigenständige Instanz aufzutreten.
Welche Ziele gesetzt werden, entscheiden die Beteiligten gemäß der jeweiligen Problem- oder Interessenfelder. Es gibt zahlreiche Initiativen in Berlin, die aus Hausgemeinschaften hervorgegangen sind und kreativ lässt sich einem hausgemeinschaftlichen Wirken kaum eine Grenze setzen.
Auch ein bisschen Größenwahn kann für die Stadtgestaltung eine gute Sache sein. Vielleicht wollt ihr auch den autofreien Kiez oder klimagerechtes Wohnen erstreiten – nur zu, es sieht ganz so aus, als müssten wir das alle gemeinsam selbst in die Hand nehmen … Natürlich kann der Fokus auch auf Kinderbetreuung, Hofbegrünung, Bürgersteiggestaltung oder auf gemeinsame Feste gelegt werden.
Ihr könnt euch dafür von anderen Hausgemeinschaften inspirieren lassen.
In einer Broschüre haben wir einige niedrigschwellige Kampfmittel versammelt, die sich kollektiv gut umsetzen lassen.
In der kollektiven Rechtsberatung könnt ihr euch zu euren Ideen für ein widerständiges, kollektives Vorgehen beraten lassen.
Vorgehen, Öffentlichkeitsarbeit & Verbündete
Für eure Vorgehensweise ist es zunächst wichtig, herauszufinden, wer eigentlich für welche Missstände an der Wohnsituation verantwortlich ist und wen das Haus ansprechen möchte.
- Ist der oder die Eigentümer*in Ansprechpartner*in für die Probleme oder die Zielsetzung?
- Geht es darum, Druck auf politischer Ebene aufzubauen? Entscheidungen zum Wohnen werden, grob gesagt, auf Verwaltungsebene, auf Bezirksebene, Landesebene und auf Bundesebene getroffen.
Egal, ob ihr eure Forderungen an die Eigentümer*in oder an Politiker*innen richtet, macht euch bewusst, welche materiellen und ideologischen Kosten ihr von der Gegenseite abverlangt. Ein selbstverwaltetes Blumenbeet im Hof kostet die Eigentümer*in wenig (höchstens etwas Stolz) eine Erneuerung der nicht gut funktionierenden Zentralheizung womöglich sehr viel. Eure Hausgemeinscha muss für die Gegenseite eine Krise auslösen, die ausreichend groß ist, um sie zur Akzeptanz eurer Forderung zu bringen. Ein negativer Zeitungsartikel kann Politiker*innen im Wahlkampf zu Zugeständnissen bewegen – auf eine windige Briefkastenfirma wird er aber weniger Eindruck machen. Wählt eure Mittel also den Forderungen entsprechend aus.
Eure Hausgemeinschaft hat immer auch Beziehungen in den Kiez; schließlich lebt ihr dauerhaft hier. Eure bestehenden Beziehungen in den Kiez könnt ihr nutzen, um eure Hausgemeinschaft im Konflikt zu stärken. Seht dabei natürlich auch, wo ihr anderen Hausgemeinschaften und Initiativen im Kiez helfen könnt, sodass ihr euch gegenseitig stärkt. Vielleicht teilt ihr z.B. das Ziel, durch gezielte Abwertung euren Kiez vom Interesse seitens profitgieriger Käufer*innen befreien?
Häufiger sollen mehrere Instanzen angesprochen werden. Es ist immer hilfreich, sich mit anderen Nachbar*innen aus dem Kiez zu vernetzen oder sich bei einem lokalen Kieztreffen oder bei Initiativen Tipps und Ideen zu holen, bzw. im Austausch zu stehen und auch zu bleiben. Es kann nicht oft genug betont werden, dass Probleme von Mieter*innen keine individuellen Probleme sind. Sie betreffen immer viele!
Es gibt zahlreiche Pressekontakte, die sich für Geschichten aus der Mietenwelt interessieren → Vorsicht jedoch: Häufig werden Betroffene vor allem als Opfer dargestellt. Die Handlungsspielräume von wehrhaften Mieter*innen bleiben meist gänzlich unerwähnt. Die Presse kann darauf hingewiesen werden und häufig lohnt es sich auch, die Berichterstattung in die eigenen Hände zu nehmen. Formate wie Pressemtiteilungen, offene Briefe oder Aushänge und Flyer im
Kiez bieten sich zum Beispiel an.
Um andere Formen von Aufmerksamkeit zu erzeugen, sind kreative, ungewöhnliche Aktionen äußerst hilfreich! Zudem machen sie auch mitunter mehr Spaß. Um euer Anliegen und eure Aktonen entsprechend sichtbar zu machen, sind Social Media und eine Website denkbar. Viele
Hausgemeinschaften stehen etwa auf Twitter miteinander in Kontakt oder vernetzen sich auf Instagram. Auch hier lässt sich auch die herkömmliche Presse und Politik gut erreichen.
Es gibt auch einige Strategien, mit denen bestimmte Initiativen arbeiten. Das kann zum Beispiel eine fortlaufende Eskalation des Konflikts gegenüber den Eigentümer*innen direkt sein oder andere kreative Methoden, Missstände zu skandalisieren. Aller Erfahrung nach zählen Eigentümer*innen stark auf ihr öffentliches Ansehen.
Ähnlich wie Entscheidungsträger*innen auf politischer Ebene. Anders als Politiker*innen können Eigentümer*innen aber nie glaubhaft von sich behaupten, dass ihr Wirken dem Gemeinwohl dient. Politiker*innen müssen stetig an diesem Maßstab zur Rechenschft gezogen werden.
Lasst euch zu strategischen Fragen gern von der MGB beraten! Eine Mitgliedschaft kann in diesem Zusammenhang besprochen werden.
6. Weiter so! … oder anders?
Erfolge feiern und Einsatz wertschätzen
Wenn ihr gemeinsam Aktionen umgesetzt habt, lasst es euch nicht nehmen, auch kleine Erfolge zu feiern. Jede gegründete Hausgemeinschaft ist bereits ein Riesenerfolg gegenüber der individualisierten Gesellschaft. Dafür klopft euch auch ruhig mal auf die Schultern! Das ist keine leichte (aber eine sehr lohnenswerte) Aufgabe.
Es ist auch hilfreich, miteinander eine wertschätzende Kultur zu fördern, in der sowohl kleine oder unscheinbare Beiträge als auch größerer Einsatz geschätzt werden.
Vielleicht habt ihr Lust, euch mit anderen Häusern auszutauschen, meldet euch gern, wir vermitteln lokal.
Vorgehen reflektieren
Wenn ihr in der Gruppe erste Aktionen geplant und durchgeführt habt, ist es auch wichtig, sich Fragen zu stellen, wie:
- Was ist gut und was ist weniger gut gelaufen?
- Wodurch konnten welche Effekte erzeugt werden?
- Welche Konflikte oder Spannungen gab es?
- Haben wir weiterhin eine breite Mehrheit im Haus an unserer Seite? Wie wollen wir das objektiv testen?
- Welche Wünsche und Bedürfnisse sollten beim zukünftigen gemeinsamen Handeln berücksichtigt werden?
TIPP
Konflikte sind Bestandteil von allen zwischenmenschlichen Beziehungen! Es kommt darauf an, konstruktiv mit ihnen umzugehen. Aus Konflikten lässt sich eine Menge lernen.
Probleme und Herausforderungen bei ersten Aktionen oder gemeinsamen Handlungen
Erst sind alle dabei und dann kommt keiner zum Treffen? Es kann vorkommen, dass alle die Hand heben, wenn es um ein bestimmtes Vorgehen geht und später kommen nur sehr wenige zum Treffen. Das kann natürlich vielfältige Gründe haben. Manchmal fühlen sich einige unter Druck, Bereitschaft zu signalisieren, während sie tatsächlich noch nicht von der Sache überzeugt sind. In anderen Fällen wirken zentrale Personen im Haus dämpfend auf die Gemeinschaft, indem sie offen an gemeinsamen Forderungen oder Methoden zweifeln.
Wie in anderen kollektiven Zusammenhängen kommt es sehr darauf an, die Bereitschaft offen abzufragen oder andere Wünsche oder alternative Vorgehensweisen zu thematisieren. Hilfreich ist natürlich immer, sich darüber bewusst zu sein, dass es viele Herangehensweisen gibt und sehr unterschiedliche Menschen. Manchen hilft es, Probleme auszublenden, während andere sie lieber angehen wollen.
Viele interessieren sich erst dann, wenn sich eine sie betreffende ganz konkrete Bedrohung abzeichnet, der sich kollektiv gut begegnen lässt. Für die aktivistischen Gemüter unter uns gilt: Der politische Horizont des solidarischen Handelns ist vielleicht nicht unbedingt der beste Aufhänger, um unbedarfte Nachbar*innen zur Beteiligung zu animieren. Oft ist es hier unsere Aufgabe zuzuhören, und zu verstehen, was unsere Nachbar*innen sich für konkrete Verbesserungen im Hier und Heute wünschen.
Nicht zu unterschätzen ist bei allen Herangehensweisen, dass die Beteiligten überzeugt sein müssen. Das heißt, es sollte sich in der Wahrnehmung der Beteiligten potenziell um „erfolgreiche“ Aktionen handeln und individuelle Risiken sollten stets durch kollektives Handeln abgedämpft werden. Es ist nachvollziehbar, dass Nachbar*innen nicht riskieren wollen als einer von drei „Störenfrieden“ vor die Eigentümer*in zu treten. Wenn jedoch klar ist, dass sie als Teil einer umfassenden, breiten Hausgemeinschaft auftreten, steigert das die Risikobereitschaft und damit auch die Erfolgschancen.
Es kommen jedoch unzählige Faktoren zusammen, und es kann deprimierend sein oder sogar ein schlechtes Gefühl zum Haus erzeugen, wenn der Einsatz von Nachbar*innen stark unter der Wunschvorstellung oder unter einer verabredeten Arbeitsteilung zurückbleibt. Hier zeigt sich, ob unsere Beziehungen in der Hausgemeinschaft ausreichend stabil sind, damit wir uns aufeinander verlassen können. So wie wir engen Freund*innen manchmal harte Fragen stellen, müssen wir auch manchmal unsere eng-verbündeten Nachbar*innen fragen: Denkst du, wir schaffen das ohne deine Hilfe? Ist es in Ordnung für dich, wenn du wichtige Entscheidungen im Haus verpasst? Solche Konfrontationen sind hoffentlich nur sehr selten nötig, können aber helfen, gemischte Signale aufzuklären.
Und umso wichtiger ist es in solchen Fällen, sich mit anderen Häusern oder Initiativen auszutauschen. Gleichzeitig gibt es häufig auch Glücksmomente, wenn doch alles glatt läuft oder der Nachbar beispielsweise eine geniale Pressemitteilung zum gemeinsamen Thema schreibt. So etwas kann alles aufwiegen. Und wie überall im Leben ist es auch hier mitunter ein Auf und Ab. Zu vermeiden sind dabei (wie immer) voreilige Schlüsse
Am Ende bleibt die Arbeit an wenigen Einzelnen hängen?
In vielen kollektiven Zusammenhängen sind die Aufgaben nicht immer gerecht verteilt. So etwas kann frustrieren oder schnell die Ausdauer beschränken. In erster Linie kommt es für jede Einzelne darauf an, die eigenen Grenzen zu kennen und nur Aufgaben zu übernehmen, die mensch auch wirklich übernehmen will.
Über die eigenen Grenzen zu gehen, kann einem Kollektiv durchaus schaden! Dafür eine gute Balance zu finden, kann etwas dauern. Eine ausgeglichene Arbeitsteilung ist stets eine zentrale Herausforderung für kollektive Zusammenhänge und ein Thema von Aushandlung.
Manche Beteiligte sind zum Beispiel froh, nur Aufgaben zu erfüllen und nicht gleich die gesamte Ausrichtung mitzuplanen. Die selbe Aufgabe kann für unterschiedliche Personen ganz unterschiedlich anspruchsvoll sein.
Es hilft also über die Vorstellungen der eigenen Beteiligung zu sprechen und spätestens nach gemeinsamen Aktionen auch mal zu reflektieren.
Wir haben etwas auf die Beine gestellt aber kaum Ergebnisse?
Auch das kann Frustration bedeuten, aber vielleicht überwiegen dennoch die positiven Momente des Prozesses. Möglicherweise gab es auch herbe Verluste für alle oder einige. Vielleicht könnt ihr noch andere Herangehensweisen probieren und oder Vernetzungen über die Hausgemeinschaft hinaus anregen. Vielleicht sind manche so frustriert, dass sie nicht meinen, dass sich weiterer Einsatz lohnt. So etwas kann vorkommen. Es können unterschiedliche Schlüsse gezogen werden. Das heißt aber nicht, dass der Versuch, kollektiv zu handeln, dadurch an Sinn verliert. Häufiger entsteht eine solidarische Atmosphäre im Haus oder es entwickeln sich Bekanntschaften und Freundschaften. Dafür hat sich der Einsatz in jedem Fall gelohnt.
Jedenfalls, solltet ihr reflektieren, worin der Misserfolg begründet ist: Reichten die Beziehungen im Haus nicht aus, um eine starke geschlossene Hausgemeinschaft zu bilden? Konntet ihr euch zwar im Haus gut vernetzen, aber keine ausreichend große Krise bei der Gegenseite auslösen, um eure Forderungen zu verwirklichen? Je nachdem, ergeben sich aus den Antworten Ansatzpunkte für einen neuen Versuch; nachdem ihr euch erholt und etwas neue Kraft gesammelt habt.
Wir haben etwas erreicht und jetzt geht jede*r seiner / ihrer Wege
Möglicherweise kann das eine Pause bedeuten oder der hausgemeinschaftliche Zusammenhang wird von vielen eher funktional verstanden. Spätestens bei den nächsten Problemen lässt er sich wiederbeleben oder wenn das Interesse besteht auch zu anderen zwangloseren Gelegenheiten. Wenn einige sehr viel gemacht haben, ist das eine gute Gelegenheit, dass andere die Initiative ergreifen.
Die Herausforderungen für eine nachhaltige Verbindung der Hausgemeinschaft sind natürlich auch unseren Lebens- und Arbeitsverhältnissen geschuldet. Die Praxis der Hausgemeinschaftsbildung hat dennoch das Potenzial, sich in den nächsten Jahren zu einer größeren Bewegung zu entwickeln. Kollektive Rechte könnten durch die Organisierung auf Häuserebene in greifbare Nähe rücken, und entscheidende Druckmomente lassen sich ausgehend von lokal vernetzten Mieter*innen erzeugen. Hausgemeinschaftsbildungen könnten zu einem Ausgangspunkt für eine kooperative Stadt werden, in der das Leben und das Gemeinwohl ins Zentrum rücken.
7. Hausgemeinschaft in der MGB
Für Hausgemeinschaften ist die Mitgliedschaft in der MGB von riesigem Vorteil:) Ob es die Erfahrungen und Skills sind, die hier zu Themen geteilt werden, ob Infrastruktur (Nutzung von Mail/Verteiler/Infos/Kontakten) oder konkrete praktische oder strategische Unterstützung, die MGB ist bereit – seid ihr es auch? Wenn ihr dabei sein wollt, kommt zum offenen Gewerkschaftscafé oder werdet direkt Mitglied. Auf dem Laufenden halten wir über unseren Newsletter.
Diese Anleitung wurde von der AG Recht / MGB erarbeitet. Veröffentlicht unter CC-BY 2.0 DE. Dezember 2022